Eine Gruppe Pfadfinder und Pfadfinderinnen läuft schwer mit Campingausrüstung bepackt einen Weg im Wald entlang.

Abenteuer in Sicherheit – Editorial zur Ausgabe

Die aktuelle Verbandszeug widmet sich einem großen Thema: Kinderschutz in unserem Verband. Lioba gibt euch einen Ausblick in die Ausgabe und zeigt, warum Pfadfinder*innen-Abenteuer sicher gut ausgehen.

Ich erinnere mich noch an meine erste Präventionsschulung. 2017 kurz vorm Diözesanlager war das. Ich wollte als Helferin mitfahren und als solche brauchte man – richtig so! – eine Präventionsschulung und ein erweitertes Führungszeugnis. Also nix wie hin zu MoVe und sechs Stunden Baustein 2d.

Mit einem Bein im Knast?

Damals war ich noch sehr unbedarft. Gerade seit ein paar Monaten Hilfsleiterin bei den Wölflingen, noch keine weitere Leitungserfahrung in Zeltlagern. Die klassische Präventionsschulung sorgt (oder sorgte zumindest damals) leider nicht für mehr Sicherheit. Wenn man alle mehr oder weniger abschreckenden Fallbeispiele in Gruppenarbeit durchgesprochen hat, fragte man sich, was man eigentlich noch darf. Stehe ich mit einem halben Bein im Knast, wenn ich dem Juffi ein Pflaster aufklebe? Darf ich den Heimweh-geplagten Wölfling in den Arm nehmen oder kommt dann sofort die Polizei auf den Zeltplatz?

Ein gutes Nähe-Distanz-Verhältnis

Die vergangenen acht Jahre mit mehr Leitungserfahrung und Gelassenheit haben mir gezeigt: Ganz so dramatisch ist es dann doch nicht. Mit gesundem Menschenverstand, Empathie und einem wachen Blick kommt man gut durch den Leitenden-Alltag und bewahrt ein gutes Nähe-Distanz-Verhältnis zu den Kindern und Jugendlichen. Denn um die geht es ja in erster Linie. Wenn wir über die regelmäßig aufzufrischenden Präventionsschulungen stöhnen, dann geht es am Ende des Tages doch um die Sicherheit unserer Gruppenkinder.

Pfadfinden ist Abenteuer

Sicherheit ist jetzt vielleicht nicht das erste Wort, das euch einfällt, wenn ihr an euer Leben als Pfadfinder*innen denkt. Kein Wunder: In der Ordnung der DPSG kommt das Wort auch nur achtmal vor. Deutlich öfter (24mal) wird da ein anderes Wort erwähnt: Abenteuer. Am häufigsten in den Stufenkapiteln der Wös und Juffis. Ich denke, man kann mit Fug und Recht sagen, dass Pfadfinden immer Abenteuer ist. In jedem Zeltlager, auf jedem Hike und in jeder gut organisierten Gruppenstunde.

Abenteuer, die sicher gut ausgehen

Lasst mich einen kurzen etwas nerdigen Exkurs machen: Sprachwissenschaftlich betrachtet stammt das Wort vom lateinischen „advenire“ = Ankunft bzw. vom althochdeutschen „aventiure“. Eine Aventiure ist in der mittelalterlichen Literatur eine Heldenreise nach einem bestimmten Muster. Zum Beispiel: Ritter Erec reitet los, um sich in Abenteuern als mutiger Ritter zu beweisen. Er muss zweimal drei Aufgaben bestehen, von der eine schwerer ist als die vorherige. Am Ende besiegt er den mächtigen Gegner und reitet ruhmreich auf seine Burg. Da bei diesem Erzählmuster immer schon klar ist, dass der Held eine bestimmte Anzahl von Aufgaben bestreiten muss, um am Ende dann in den sicheren Hof zu reiten, ist dem Publikum immer schon klar, worauf es hinauslaufen soll. Spannend bleibt es natürlich trotzdem, aber es ist eben ein Abenteuer in Sicherheit.

Im Grunde genommen ist das genau die Erfahrung, die wir unseren Kindern und Jugendlichen ermöglichen wollen. Spannende Abenteuer erleben und trotzdem wissen: Es geht alles gut. Am Ende des Hikes kommen wir wieder auf dem Zeltplatz an. Ein Kreis mit einem Punkt in der Mitte.

Ein Blick in diese Ausgabe

Über konkrete Erlebnisse hinaus geht es aber natürlich auch um die Erfahrung: In diesem Verband, in dieser Gruppe kann ich sein, wie ich bin und mich immer wieder ausprobieren. Ich kann konstruktiven Einfluss üben: auf den Verlauf des Zeltlagers, die Gestaltung der Gruppenstunde und vielleicht sogar für eine menschenfreundlichere Gesellschaft? Selbstwirksamkeit eben.

Damit junge Menschen in unserem Verband genau diese Erfahrung machen können und zu selbstbestimmten Individuen heranwachsen können, braucht es Leitende, die sie auf diesem Weg begleiten – und machen lassen. Kinder und Jugendliche sind – naturgemäß – Menschen in Entwicklung. Wie unsere Ordnung beschreibt, wollen wir uns als Leitende, aber ebenfalls als Menschen in Entwicklung begreifen. Heißt: Immer wieder lernen und uns immer reflektieren.

Damit das gut gelingen kann, brauchen wir Hilfslinien und Konzepte. Zum Glück ist da in den letzten Jahren viel Gutes erstellt worden: Ob überarbeitete Schulungskonzepte, die Schutzhütte oder die Institutionellen Schutzkonzepte bis auf Stammesebene. Für diese Ausgabe zum Thema Kinderschutz haben wir die guten Ansätze gesammelt und gleichzeitig geschaut, wo noch Luft für neue Ideen ist. Am Ende soll Pfadfinden schließlich für alle ein Abenteuer in Sicherheit sein: Für Kinder, Jugendliche und Leitende.

Bild: Jakob Kuhn

Über den*die Autor*in

Lioba Vienenkötter

Lioba ist Referentin für Kommunikation und Medien im DV Münster.