Aktiv für den Klimaschutz

Sophie und Johanna engagieren sich Klimaaktivistinnen bei den Students for Future in Münster aktiv. Ferdi aus dem AK KoM hat mit den beiden über ihr Engagement gesprochen und gefragt, was die DPSG daraus lernen kann.

Sophie (24) und Johanna (23) sind seit 2021 als Klimaaktivistinnen bei den Students for Future in Münster aktiv. Die Students for Future sind eine der Untergruppen von Fridays for Future. Die Students for Future organisieren gemeinsame Demos und Diskussionsräume, um auf die Klimakrise und ihre Auswirkungen aufmerksam zu machen und die Politik zu wirksamen Gegenmaßnahmen zu bewegen. Johanna und Sophie studieren beide Biologie auf Lehramt an der Uni Münster, Johanna studiert zudem Deutsch, Sophie Kunst. Den Ausschlag für ihr Engagement hat damals zum einen der 1,5° C Podcast von Luisa Neubauer als auch die hohe Frustration bezüglich der Klimakrise gegeben. Ferdi aus dem AK KoM ist mit den beiden Studentinnen ins Gespräch gekommen. 

F: Gab es in eurer Zeit im Aktivismus eine oder mehrere Aktionen, die euch besonders in Erinnerung geblieben sind?  

J: Ich würde auf jeden Fall sagen, der ganze Prozess mit Lützerath. Das war eine sehr bewegende Zeit, da wir mehrmals gemeinsam vor Ort waren. Vor allem die Großdemo am Ende, also kurz bevor Lützerath geräumt wurde, war mit 40.000 Menschen einprägsam.  
Und dann kommt mir die Zeit in den Sinn, während der wir uns mit dem Klimastadtvertrag der Stadt Münster beschäftigt haben und an der feierlichen Veranstaltung im Rathaus teilgenommen haben. Schon im Vorhinein vermuteten wir, dass dies eine Art Greenwashing Veranstaltung werden könnte.  
 
S: Genau, und dies hat sich an dem Abend bestätigt. Der Stadt fehlt es nämlich leider komplett an einem Maßnahmenplan, wie sie die 2020 beschlossene Klimaneutralität 2030 erreichen möchte. Bei dem groß aufgezogenen „Klimastadtvertrag“ wurden stattdessen Beiträge von Bürger*innen und lokalen Unternehmer*innen gesammelt und diese mit viel Tam Tam geehrt. Natürlich heißen wir das Engagement jedes einzelnen gut und wichtig, jedoch hat uns gestört, dass die Stadt versucht, von ihrer eigenen Verantwortung abzulenken.  

J: Deshalb haben wir einen Beitrag eingereicht, in dem wir unser Engagement für eine nachhaltigere Uni beschrieben haben. Dieser Antrag wurde akzeptiert und auch wir wurden zu der städtischen Veranstaltung (mit Oberbürgermeister, Canapés und Sekt) eingeladen. Bei der Vergabe der Zertifikate haben wir uns hinten im Saal mit unserem Banner hingestellt. Dann wurde ein Gruppenfoto gemacht und wir standen so auf dem Gruppenfoto, dass man uns nicht rausschneiden konnte.  

S: Auf unserem Banner stand: „Klimastadt vertagt? Umsetzen ist wie beschließen nur krasser.“ 

J: Dass auch kritische Stimmen vor Ort waren, hat natürlich die Veranstalter*innen und die Organisator*innen in Aufruhr versetzt. 

F: Aber für euch war das ein Highlight. 

J: Für diese Aktion gab es auch viel Zuspruch von anderen Gruppen. Beruhigend war, dass wir nicht die Einzigen waren, die die Veranstaltung kritisch gesehen haben. Bezeichnend für das klimapolitische Framing, was an diesem Abend aufgefahren wurde, war für mich die Aussage eines Wirtschaftsvertreters, der überzeugt war, man stecke sich die Ziele ja nicht um „anzukommen“, sondern um „loszulaufen“. Für mich zeigt das deutlich, dass Politiker*innen wie Wirtschaftsvertreter*innen gegenwärtig immer noch nicht verstanden haben, dass die Emissionsreduktion kein Richtwert ist, bei dem es genügt, zu schauen wie weit man kommt, sondern dass es um Lebensgrundlagen geht, die hier auf dem Spiel stehen.  

F: Tatsächlich haben wir als Pfadfinder*innen auch ein großes Interesse an der Natur. In unserer Satzung wird sie als „ein wichtiger Erfahrungs- und Entdeckungsraum“ beschrieben. Wir „betrachten die Natur als schützenswert und tragen zu ihrem Schutz durch ein nachhaltiges Handeln bei.“ Zusätzlich sei zu erwähnen, dass auch wir im Bundesverband der DPSG uns das Ziel gesetzt haben klimaneutral zu werden. Was erwartet ihr von einer Kinder- und Jugendbewegung, wenn ihr das hört und wie könnte das eurer Ansicht nach in der Umsetzung aussehen? 

S: Es bietet großes Potenzial, Kindern in der Natur spielerisch die Wertschätzung für andere Lebewesen und Ökosysteme näher zu bringen, ihnen durch Erlebnisse, eine emotionale Bindung zu der eigenen Umgebung und Umwelt zu bieten. 

J: Vor allem in einer Gegenwart, wo der Kontakt zur Natur schwindet. Man sagt ja – und das halte ich für logisch – dass man nur das schützen wird, was man wahrnimmt und sieht. Und ich glaube da können die Pfadfinder*innen eine wichtige Rolle spielen. Aber es ist sehr wichtig, dass man Naturschutz und Klimaschutz nicht gegeneinander ausspielt.  

Sophie bei einem Klimaprotest in Münster

F:  Kannst du an dieser Stelle vielleicht erklären was Naturschutz und Klimaschutz sind und wo der Unterschied liegt? 

J: Für den Naturschutz sind der Artenschutz und die Aufrechterhaltung der Biodiversität ganz wichtig. Aber auch die Aufrechterhaltung von verschiedenen Ökosystemen, deswegen spielt das auch zusammen mit Klimaschutz. Denn funktionierende Ökosysteme wie Moore, Ozeane oder Wälder nehmen viel CO2 auf. Beim Klimaschutz steht die Klimaneutralität im Fokus, also der Versuch, Treibhausgasemissionen zu verhindern, um die globale Erwärmung und die damit verbundenen Folgen abzuschwächen. Die Folgen betreffen auch wieder Arten und Ökosysteme, weshalb Klima- und Naturschutz sich gegenseitig stützen und voneinander abhängen.  
Was allerdings in beiden Begriffen nicht ausreichend vorkommt, ist der Gerechtigkeits- und Soziale Aspekt. Deswegen sprechen mittlerweile viele Klimaktivist*innen von Klimagerechtigkeit statt von Klimaschutz, weil sie von der Klimakrise und Umweltzerstörung betroffene Menschen mitdenken und ihnen Gehör verschaffen wollen. Das sollte das Ziel unsere Gruppen sein: Dass wir inklusiv sind und uns bemühen, die Perspektiven verschiedener Menschen miteinzubeziehen.  

F: Habt ihr weitere Vorschläge wie Klimabewusstsein besser in unsere Arbeit integriert werden kann? 

S: Vielleicht könntet ihr euch Beratung von anderen Verbänden und Expert*innen einholen. Das bietet das Potential, dass diese professionellen Klima- und Umweltschützer*innen nicht nur viel Wissen, sondern auch viel Begeisterung vermitteln können. Zum Beispiel könnte man den NABU anfragen, soweit ich weiß, bietet er Führungen im Wald oder Moor an. 

J: Ich habe mal an einer Schule gearbeitet, in der Schüler*innen in der fünften Klasse Müll ein- und in der achten Klasse wieder ausbuddeln, um zu sehen, was noch übriggeblieben ist. Dass veranschaulicht Schüler*innen natürlich viel besser, dass sie keinen Müll in die Natur werfen sollten, als wenn sie ständig darauf hingewiesen werden, aber die Konsequenzen nicht sehen können. 

S: Ich erinnere mich, dass ich als Kind Pilz- oder Fledermauswanderungen mit dem NABU gemacht habe. Wichtig ist auch vernetztes, systemisches Denken zu fördern, dass Kinder zum Beispiel nach Naturbeobachtungen merken, was das Insektensterben für Vögel und Säugetiere bedeutet.  

J: Ein weiterer Punkt ist, dass die Vermittlung von Fachwissen nicht als Selbstläufer für umweltbewusstes Verhalten und Handeln verstanden werden darf. Vielmehr braucht es zusätzlich Medien- und Perspektivübernahmekompetenzen, durch die junge Menschen politisches Framing verstehen, Quellen kritisch hinterfragen und für Lebensrealitäten sensibel werden. Zum Glück gibt es mittlerweile sehr sinnvolle Projekte, wie jenes von Plan International, bei dem Schüler*innen mithilfe eines Rollenspiels eine Debatte über die Klimafolgen und die Unterschiede zwischen globalem Süden und globalem Norden entwickeln. Ich glaube von solchen interaktiven Rollenspielen und Aktivitäten braucht es viel mehr.1 

F: In Debatten zur Klimagerechtigkeit verlieren sich viele Menschen auch im Whataboutism. Habt ihr einen Umgang damit gefunden? 

J: Insbesondere in der Verzichtdebatte ist Whataboutism ja allgegenwärtig: „Also, solange mein Nachbar noch mit dem SUV fährt, brauche ich nicht anfangen weniger Fleisch zu essen.“ Wenn Menschen auf das klima-unfreundliche Verhalten ihrer Mitmenschen verweisen, um das eigene zu legitimieren, drehen wir uns im Kreis.  

S: Wenn mir sowas im Gespräch auffällt, bemühe ich mich ruhig zu bleiben und Verständnis dafür aufzubringen, dass nachhaltiges Handeln in einem nicht-nachhaltigen System nun einmal meistens schwer ist. Mir fallen auch bei mir selbst manchmal Verdrängungsmechanismen auf, mit denen ich mir versuche, Dinge schön zu reden. Die Psychologists for Future bieten zu dem Thema sehr spannende Workshops an.  

J: Ich glaube, ganz ohne diese Mechanismen wäre es auch schwierig durch den Alltag zu kommen.  

F: Passend zum Whataboutism die Frage an euch: Wenn ihr eine Sache von heute auf morgen ändern könntet, was wäre das? 

J: Wenn du so fragst, denke ich sofort an den Verkehrssektor. Hier kann man am leichtesten Emissionen einsparen. Also ich würde auf jeden Fall ein Tempolimit einführen. Mal eben, jetzt, sofort. Und dann noch ganz viele andere Sachen, wie Abschaffung des Dienstwagenprivilegs, Kerosinsteuer, Ausbau des ÖPNVs etc. Auf größerer Ebene würde ich dafür sorgen, dass Politiker*innen wie Wirtschaftsvertreter*innen den IPCC ernst nehmen und als Handlungsgrundlage ihrer Entscheidungen betrachten.  

S: Die Frage zielt auf konkrete politische Veränderungen ab? Weil ich glaube, was der Klimabewegung gerade so fehlt, ist dass die Menschen wieder Motivation brauchen, etwas zu tun fürs Klima. Ich habe das Gefühl und da muss ich mir auch selbst an die Nase fassen, dass es gerade so ausgesessen wird und manche vielleicht auch gelähmt sind von all den anderen Krisen, die quasi täglich dazukommen, Kriege und so weiter. Und gleichzeitig ist es eine große Dilemmasituation, denn die aktuellen Krisen und Konflikte sind schon super schrecklich, aber wenn wir uns jetzt nicht um die Klimakrise weiter kümmern, dann wird sie in Zukunft nur weitere Konflikte anheizen und Kriege um Ressourcen, Wasser und Land können potenziell häufiger entstehen. Es ist daher keine Lösung, abzuwarten und sich gelähmt zu fühlen. Oder viele Menschen denken sich vermutlich nach dem Motto „Nach mir die Sintflut“: „Jetzt genieße ich noch die Zeit und schmeiße die Party, solange es noch geht.“ Und da wäre mein Wunsch, dass sich da etwas in den Köpfen ändert. Das man sich zurückerinnert an 2019 und den damaligen Schwung der Klimabewegung. Da gab es viel Hoffnung. Wenn ich etwas ändern könnte, dann dass viele Menschen wieder daran glauben, dass man zusammen stark sein kann und der Druck der Straße viel bewirkt. 

F: Gibt es Dinge, die ihr in eurer Zeit im Aktivismus gelernt habt? 

S: Ich habe gelernt, dass Bewegungen sehr viel Ausdauer und Hartnäckigkeit brauchen. Es braucht, und das habe ich gerade in den Gesprächen zur Energie- und Wärmewende mit den Stadtwerken gemerkt, Menschen, die das jahrelang machen, vielleicht sogar Jahrzehnte und am Ende nicht aufgeben. Ich bin weit davon entfernt und auch noch viel zu jung dafür, aber das will ich auf jeden Fall lernen, dass ich irgendwie dabeibleibe und nicht aufgebe.  

J: Sehr wahr! Ich glaube, ich habe gelernt, wie wichtig es ist, sich mit Menschen zusammenzutun, sich zu vernetzen und zu schauen, wie man Kapazitäten bündeln kann, um gemeinsame Ziele zu erreichen. Frederike Otto, eine bekannte Klimawissenschaftlerin beschreibt den Weg zum Handeln ähnlich. Auf die Frage: „Was kann ich als ein Mensch schon tun?“ liefert sie die Antwort „Aufhören, ein Mensch zu sein.“ Gleichgesinnte suchen und finden macht die Dinge leichter. Und ich habe auch gelernt, dass es sich lohnt auf Leute zuzugehen und einfach mal die Meinung zu sagen und was zu riskieren. 

F: Vielen Dank! 

Bilder: Meike Reiners, Rosa Tägtmeyer

Über den*die Autor*in

Ferdi Zander