Natürlich ist es zu allererst der persönliche Glaube. Der Glaube an einen guten Schöpfer, der diese Welt mit allen Geschöpfen gut geschaffen hat und ihr in Liebe und Treue verbunden ist. Wir sind alle Teil dieser Schöpfungsgemeinschaft. Und dazu gehört auch das Bewusstsein des Menschen eine besondere Verantwortung für diese Schöpfung zu tragen, die wir nutzen, aber weder hemmungslos ausnutzen noch zerstören dürfen. Und gleichzeitig muss uns bewusst sein, dass wir genau das in vielen Ländern tun und dort die Schöpfung mit Füßen treten, wie auch Papst Franziskus uns in “Laudato si” uns vor Augen stellt.
Das ist eine Aufgabe, der wir uns zu stellen haben. Wenn wir sagen, es ist fünf vor zwölf, dann ist das noch sehr freundlich ausgedrückt.
Gott erschuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes erschuf er ihn. Männlich und weiblich erschuf er sie. Gott segnete sie und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehrt euch, füllt die Erde und unterwerft sie und waltet über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die auf der Erde kriechen! – Genesis 1,27-28
Das ist kommt auf die Interpretation an. Es heißt in der Bibel, der Mensch solle sich die Erde „unterwerfen”. Das ist vom Begriff her natürlich schwierig, aber ich bin fest davon überzeugt, dass damit ein verantwortungsbewusster Umgang mit dieser Schöpfung gemeint ist.
Da ist natürlich immer noch Luft nach oben. Zunächst muss ich sagen, dass unser Lebensstil – global betrachtet – sehr privilegiert ist. Ich war beispielweise im letzten Jahr vor dem Lockdown in Niger und Benin und dort ist mir das noch einmal besonders klar geworden. Bei mir ist es natürlich auch so, dass ich mich nicht um alle Dinge selbst kümmere. Aber bei allen Entscheidungen, die anstehen, wenn es um Gebäude, Verpflegung oder Energie geht, zum Beispiel im bischöflichen Büro in Xanten, versuche ich schon möglichst gesunde und nachhaltige Alternativen zu wählen.
Wichtig sind natürlich auch Wege, die im Alltag, zum Beispiel für Hospitationen in den Gemeinden, zurückgelegt werden müssen. Diese sind bei mir weit: von Oer Erkenschwick, Datteln und Waltrop auf der einen bis in den Klever und Kranenburger Raum auf der anderen Seite. Oder dann die überregionalen Treffen in Münster, Bonn oder Berlin. Da muss man schon fragen, wie man diese Wege gestaltet: Zur Zeit haben wir ein Hybridfahrzeug angeschafft, auch wenn das nicht unumstritten ist. Aber irgendwo muss man anfangen. Aus der Corona-Pandemie dürften wir aber auch gelernt haben, dass sich viele Fahrten ganz einsparen lassen, wenn Konferenz online stattfinden. Meine Umweltbilanz ist dank Corona besser, das kann ich sicherlich sagen.
Was mich an dieser Stelle vielleicht auch mit der Pfadfinderschaft verbindet, ist meine Liebe zur Natur. Ich lebe hier in Xanten direkt am Rhein und ich genieße es schon sehr in der Natur aktiv zu sein – beim Wandern oder Fahrradfahren. Es ist schon wunderschön, wenn man solche Biotope wie die Bislicher Insel vor Augen hat, die Schutzreservate geworden sind und wo man dann auch eine größere Artenvielfalt entdecken kann.
Ich denke, dass sich hier einiges entwickelt hat und die Kirche gute Beiträge leistet. So wurden zum Beispiel in den Diözesen Umweltbeauftragte eingesetzt. Das heißt, dieses Thema ist auf eine ganz andere Ebene befördert worden. Das halte ich für sehr wichtig.
Andererseits ist das Thema auch in der Kirche viel zu lange als Nischenthema behandelt worden und nicht entsprechend unserer Verantwortung für Umwelt- und Klimaschutz. Mit der Arbeitsgruppe für Umwelt und ökologische Fragen haben wir 2019 sehr praktische Handlungsempfehlungen für Ökologie und nachhaltige Entwicklung auf den Weg gebracht. Wichtig war mir dabei, dass die Broschüre klar angibt, was bei uns im kirchlichen Bereich passiert – in den Diözesen und kirchlichen Einrichtungen. Und da hat sich eine ganze Menge entwickelt. Wir werden bei der Bischofskonferenz im Herbst hören, wie weit die einzelnen Diözesen in diesen Fragen sind und auch wo sie noch Konflikte sehen. Da geht es um keinerlei Ranking, sondern um Bewusstsein. Wir müssen positiv vorangehen. Und deswegen bin ich froh über die konkreten Handlungsempfehlungen, die wir entwickelt haben.
Wenn ich konkret an das Bistum Münster denken, dann sind über 100 Gemeinden und Einrichtungen am Projekt “Zukunft einkaufen” beteiligt. Und auch in der Bistumsverwaltung wurde ein eigenes Umweltmanagementsystem eingerichtet. Großes Thema ist auch die Verpachtung und Bewirtschaftung von kirchlichem Grund und auch da haben wir Empfehlungen ausgesprochen, wobei jede Gemeinde ein eigener Rechtsträger ist. Das Bistum kann dort nicht eingreifen. Beim Thema Gebäuderenovierung und -nutzung wird auch immer größerer Wert auf umwelttechnische Fragen gelegt, man denke an Fotovoltaik.
Auch im weltkirchlichen Zusammenhang pflegen wir Partnerschaften. Dort sollten Umweltfragen ebenfalls eine Rolle spielen. Da denke ich wieder an meinen eben genannten Besuch in Niger und Benin. Es hat ja einen Grund, dass die Situation dort anders aussieht als hier. Da haben wir noch viele zentrale Fragen auch weltkirchlich zu bearbeiten. Hier können wir uns hoffentlich gegenseitig unterstützen, denn Klimaentscheidungen hängen gerade in diesem Kontext auch mit der Gerechtigkeitsfrage zusammen.
Das Projekt “Zukunft einkaufen” läuft an ganz vielen verschiedenen Stellen. Sehr konkret sehe ich das beispielsweise an der Wasserburg in Rindern, wo sowohl der Einkauf und der Ablauf im Haus als auch der Ausbereich mit kleinen Biotopen nachhaltiger gestaltet wurde. Zu nennen sind da auch Maßnahmen zum Schutz von Insekten – Insektenhäuser zum Beispiel.
Punkt zwei ist das große Engagement der jungen Leute bei diesem Thema. Das sehe ich auch in meiner direkten Nachbarschaft beispielsweise an der Marienrealschule. Die haben diese Fragen fächerübergreifend behandelt und die Schülerinnen und Schüler fordern auch konkrete Veränderungen im Schulbetrieb.
“Die jungen Menschen erinnern uns daran, dass die Erde nicht ein Gut ist, dass man verschleudern kann, sondern ein Erbe, das weiterzugeben ist. Sie erinnern daran, dass die Hoffnung auf das Morgen nicht ein schönes Gefühl ist, sondern eine Aufgabe, die heute konkrete Handlungen erfordert.”
Ich erlebe sie stark. Gerade die Jugendverbände im BDJK sind bei diesen Fragen sehr aktiv und erinnern uns als Kirche und Gesellschaft daran, was noch zu tun ist. Da würde ich sagen, die junge Generation mischt das auf. Durch die Aktion Fridays for Future ist mir das bewusst geworden. Ich bin wirklich erstaunt, wie viele Jugendliche da zusammengekommen sind, allein in Kleve waren es bei Aktionen über 5000. Und die Proteste sind ja zum Glück während Corona nicht zusammengefallen. Ich glaube wirklich, dass wir es den jungen Menschen zu verdanken haben, dass das Thema Klimaschutz in der Gesellschaft und Politik heute so einen hohen Stellenwert hat. Sie sagen ganz richtig, dass sie die Leidtragendenden dessen sind, was nicht früher geschehen ist. Damit sprechen sie auch für all die Menschen in den ärmeren Ländern, die bei uns noch weniger Gehör finden.
Ein weiteres Beispiel ist ein Umweltfestival, dass wir hier in meinen Regionen Xanten und Recklinghausen für 2022 planen. Diese Idee stammt von jungen Menschen und ist auch für diese gedacht. Ich bin dabei besonders froh, dass die DPSG von Anfang an dabei war.
Zunächst glaube ich, dass der Grundgedanke der Arbeit der Pfadfinderinnen und Pfadfinder für uns alle ein Vorbild sein kann. Die vielen Gruppen und Stämme machen uns in den Gemeinden täglich vor, wie gemeinsames Tun auch ohne viel Technik möglich ist, wie Handeln und Miteinander mit und in der Natur funktionieren kann. Der Einsatz für den Nächsten und das bunte Miteinander sind Grundhaltungen, die wir als Gesellschaft und auch als Kirche verlernt haben. Da sollten wir genau hinschauen. Wir brauchen die Pfadfinderinnen und Pfadfinder für eine andere Lebensweise zu all den Themen, über die wir uns heute unterhalten haben.
Von daher wünsche ich mir von den Pfadfinderinnen und Pfadfindern, dass sie weitermachen und weiter vorangehen. Ich hoffe, dass auch in einer schwierigen kirchlichen Großwetterlage, von der gerade viele Jugendliche enttäuscht sind, die DPSG sagt, wir ziehen uns nicht zurück, sondern unsere junge Stimme wird gebraucht — unsere Stimme, wie wir als Kirche handeln können und wo wir uns verändern müssen.
Veröffentlichung “Zehn Thesen zum Klimaschutz”: https://www.dbk-shop.de/media/files_public/3f6e4be397ba71ee385526e6eba85a21/DBK_1248.pdf
Informationen zum Projekt “Zukunft einkaufen”: https://zukunft-einkaufen.de/
Die Enzyklika Laudato si von Papst Franziskus: https://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/diverse_downloads/presse_2015/2015-06-18-Enzyklika-Laudato-si-DE.pdf
Das Interview führten Andreas Naumann-Hinz und Lioba Vienenkötter, AK KoM