Der Aasee ist ein Wahrzeichen der Stadt Münster und eines der beliebtesten innerstädtischen Ausflugsziele. Doch was sich unter seiner Oberfläche so abspielt und welche ökologische Bedeutung er für die Stadt hat, war vielen lange nicht bewusst. Seit es im Jahr 2018 zur lokalen Öko-Katastrophe kam, ändert sich der Blick auf den beliebten Stausee. Doch was genau ist damals eigentlich schiefgelaufen – und was wird getan, damit sich ein Fischsterben nicht wiederholt?
Wasser brauchen wir gut dosiert – zu viel kann ebenso problematisch sein wie zu wenig. Fällt über lange Zeiträume kein Regen, sinkt der Wasserstand in Seen, Flüssen und im Grundwasser und die Böden trocknen aus; eine Folge sind Dürre-gestresste Pflanzen und Ernteausfälle. Zu viele Niederschläge führen zu Überschwemmungen und Hochwasser. Dann kann auch ein kleiner Bach wie die Münster‘sche Aa das Zentrum überfluten. Um das zu verhindern, wurde die Aa aufgestaut, denn so kann die Wassermenge, die durch das Aabett in der Innenstadt fließt, geregelt werden. Hinter dem Wehr wurde eine Fläche ausgebaggert, um das Wasser zurückzuhalten und der Aasee bildete sich. Er entstand in zwei Phasen. Zunächst wurde vor etwa 90 Jahren das erste Becken zwischen Innenstadt und der heutigen Torminbrücke fertiggestellt. Vor ungefähr 50 Jahren wurde das Becken dann erweitert bis zum heutigen Zustand. Obwohl die Funktion, die Wassermengen zurückzuhalten, immer noch die Hauptbedeutung des Sees ist, wird er von den Einwohnern der Stadt auch aufgrund seines hohen Wertes für die Freizeitgestaltung geschätzt. Segler, Ruderer und Tretbootkapitäne teilen sich die Wasserfläche, an den Ufern sind Spaziergänger und Jogger unterwegs, es gibt Restaurants mit Aussichtsterrassen und auch Angler schätzen den See. Weniger im Bewusstsein ist seine Bedeutung auch als Frischluftschneise. In der Haupt-Windrichtung gelegen, sorgt die Wasserfläche besonders an heißen Tagen für erträglichere Temperaturen in der Innenstadt, die sich durch die Gebäude und Straßen im Sommer schnell aufheizt.
Schließlich hat der See aber auch eine wichtige Funktion als Lebensraum für viele Lebewesen. Zu den Wasservögeln gehören Enten, Gänse, Haubentaucher und Schwäne, die nach Pflanzen oder Muscheln tauchen oder „gründeln“. Die Romanze zwischen einem schwarzen Schwan und dem weißen Schwanentretboot ist sicher noch vielen in Erinnerung. Unter der Oberfläche finden aber noch viele andere Lebewesen ihre Nische. Am Beginn der Nahrungskette stehen Algen oder Phytoplankton. Sie werden von Kleinkrebsen, dem Zooplankton, gefressen und diese wiederum von Fischen. Diese planktonfressenden Friedfische werden dann wieder zur Beute von Raubfischen. Wie stark die Algen sich in einem See vermehren können, ist abhängig vom Nährstoffgehalt. Dünger, der durch Regen von den Feldern abgewaschen wird und durch die Zuflüsse in den See geschwemmt wird, erhöht die Mengen an stickstoffhaltigen Salzen und Phosphaten, die eine Algen“blüte“ zur Folge haben können, also eine massenhafte Vermehrung. Erkennbar ist das an der grünen Färbung des Wassers. Besonders problematisch sind die Cyanobakterien, die auch als „Blaualgen“ bezeichnet werden, obwohl diese Zuordnung zu den Algen nicht korrekt ist. Wenn sie hohe Dichten erreicht haben, schwimmen sie als watteähnliche Schicht an der Oberfläche. Sie können Giftstoffe bilden und wehren sich damit gegen ihre Vertilger. Die Kleinkrebse, zum Beispiel Wasserflöhe, werden dadurch in ihrem Wachstum und der Vermehrung behindert. Aber auch Fische, die sich von den Kleinkrebsen ernähren, halten deren Anzahl klein. Eine zu dichte Friedfischpopulation verhindert deshalb, dass sich die wichtigen Wasserflöhe vermehren können und die Algen aus dem Wasser herausfiltern können. Eine Maßnahme zur Verbesserung des ökologischen Zustands eines Sees ist es deshalb, Raubfische einzusetzen. Sie halten die Friedfische knapp, das Zooplankton kann sich vermehren und hält die Algen in Schach. Um den Zustand eines Sees bewerten zu können, spielt der Sauerstoffgehalt eine große Rolle. Wenn das Wasser sehr warm wird, ist weniger Sauerstoff gelöst. Gleichzeitig verbrauchen alle Seebewohner Sauerstoff: wie wir Menschen atmen sie auch, können aber den Sauerstoff aus dem Wasser entnehmen, zum Beispiel über Kiemen. Die Krebse und Fische benötigen umso mehr Sauerstoff, je höher die Temperatur steigt. Und auch die Algen, die tagsüber bei Sonnenschein Sauerstoff freisetzen, tragen in den dunklen Nachtstunden zusätzlich zum Sauerstoffschwund bei.
Dieses vernetzte Gefüge von Pflanzen und Tieren im See ist im Aasee von drei Jahren aus dem Gleichgewicht geraten. Im sehr warmen Sommer 2018 hatte es lange nicht geregnet. In dieser Zeit hatten sich die Algen stark vermehrt. In einer Nacht im August war dann der Sauerstoffgehalt so weit abgefallen, dass viel Fische gestorben sind: etwa 22000 kg Fische schwammen tot an der Wasseroberfläche. Inzwischen hat sich der See wieder erholt. Aber durch Fachleute der Stadtverwaltung und weitere Experten wird der See seitdem gut überwacht. Als künstliches Gewässer kann er nicht einfach sich selbst überlassen werden, sondern braucht Pflegemaßnahmen. Dazu gehören zwölf Belüftungsgeräte, die durch Umwälzen des Wassers Sauerstoff eintragen. Sie können bei Sauerstoffknappheit eingeschaltet werden und dann Bereiche im See bereithalten, in denen Fische noch ausreichend atmen können. Eine zweite Maßnahme im April dieses Jahres war das Abfischen von Friedfischen. In mehreren Reusen wurden Fische gefangen. Raubfische kamen zurück in den See, die Friedfische wurden zu anderen Gewässern gebracht. Die für den See verträgliche Menge an Fischen soll dadurch nicht überschritten werden. Dass die Wasserflöhe ihre Filterarbeit nun besser erledigen können, ist auch am Wasser erkennbar: weniger grün gefärbt und klarer lässt es im Frühjahr sogar den Boden erkennen, schließlich ist der See an keiner Stelle tiefer als zwei Meter. Leider fällt dann der Blick auch schon mal auf ein Fahrrad oder einen Einkaufskorb, der im Wasser versenkt wurde und nun aufwändig wieder herausgeholt werden muss. Die Seeufer sind ein schöner Platz, um sich zu verabreden, ein Picknick zu machen oder zu grillen, besonders, wenn Treffen in geschlossenen Räumen wegen der Ansteckungsgefahr mit Corona-Viren problematisch sind. Aber zur Verantwortung für den See, um ihn als Lebensraum für Tiere und Erholungsraum für Menschen zu erhalten, gehört eben auch, seinen Müll anschließend wieder mitzunehmen. Das sollte nicht nur für Pfadfinder und Pfadfinderinnen selbstverständlich sein.