Pfadfinder-Kinder mit Kluft und blauen Halstüchern sitzen am Lagerfeuer und singen.

Die fragwürdige Macht des Liederbuchs

In vielen Stämmen wird darüber diskutiert, ob die Inhalte aus beliebten Liederbüchern noch zu unseren Werten passen. Frieda aus dem Stamm St. Liutger Heilig Kreuz Münster und dem AK KoM hat sich Gedanken darüber gemacht, wie wir den Teufelskreis der umstrittenen Liedtexte durchbrechen können.

Dass wir uns als Pfadfinder*innen gerne abends am Lagerfeuer zusammenfinden, ist wohl nichts neues. Und genauso wenig, dass viele von uns dort gerne Musik machen, Lieder singen. Daran ist soweit auch erstmal nichts dran auszusetzen, das gehört schließlich zu unserer Verbandskultur.

Geht es jedoch darum, was wir singen, wird es schon deutlich verzwickter. Vielleicht verstricken wir uns dann am Lagerfeuer in Gesprächen darüber, ob es jetzt okay ist, dass wir zum Beispiel einen Song, in welchem ein älterer Mann ein „junges Mädchen“ während seiner Autofahrt verfolgt, spielen sollten oder nicht.

„Nein das geht auf gar keinen Fall!“ heißt es dann.

„Ja, aber da wird doch zumindest ein reales Problem angesprochen.“

„So ein Quatsch, hier wird einfach übergriffiges Verhalten verharmlost, so dargestellt, als sei es bloß ein kleiner Spaß. Für die betroffene Person ist es sicherlich keiner.“

„Aber das haben wir doch früher auch gesungen, wo ist denn jetzt plötzlich das Problem?“

Passen die Inhalte des Liederbuchs zu unseren Werten?

Das Problem liegt aus meiner Sicht darin, dass wir unfassbar absurde Diskussionen führen. Wir spielen nicht was wir selbst als gut oder passend zum Pfadfinden erachten, sondern das, was halt im Liederbuch drinsteht. Das führt hin und wieder dazu, dass wir über die Daseinsberechtigung von Liedern diskutieren, welche vermutlich viele in unserer Gesellschaft gar nicht mehr kennen, weil es eben keine Evergreens sind. Zumindest würden meine Freund*innen abseits der DPSG nicht auf die Idee kommen Songs wie den zuvor beschriebenen in ihre Geburtstagspartyplaylist zu packen. Nicht einmal wir selbst kommen auf diese Idee, oder? Aber ihn aus dem Liederbuch streichen? Das muss doch nicht sein…

Den Teufelskreis durchbrechen

Doch, ich finde schon! Wie schon zu Beginn erwähnt. Es wird das gespielt, was im Liederbuch steht. Das Liederbuch hat also eine gewisse Macht. Wir merken, wie schwer es fällt, uns von einem solchen Song zu trennen, weil wir irgendwelche nostalgischen Gefühle damit verbinden. Und ab hier bewegen wir uns, wenn wir nicht aufpassen in einem Teufelskreis, von dem ich mir wünschen würde, dass wir diesen durchbrechen. Denn unsere Biber und Wös kennen einen solchen Song, bevor sie in unseren Stamm kommen, vermutlich nicht. Sie würden diesen Song also erst bei uns kennenlernen, weil wir in unserem Stamm immer noch das Liederbuch von 1980 oder so haben. 2035 sitzen unsere jetzigen Wös dann am Lagerfeuer und führen die gleiche Diskussion wie wir jetzt. Bitte, bitte nicht!

Wir können ja meinetwegen die Diskussion in unserer Generation mitnehmen und uns da auch weiter uneinig sein, aber wir müssen den Diskurs doch nicht an die nächste Generation weitergeben. Es gibt so viele Lieder, mit denen sich ein Liederbuch füllen lässt und es kann wirklich viel Spaß bereiten sich kreativ auszutoben.

Der VCP hat sich mit dem Thema „Fragwürdiges Liedgut“ ausführlich beschäftigt und eine Handreichung dazu verfasst. Diese könnt ihr kostenlos downloaden.

Liegut im VCP – Was singen wir denn da?“

Zeit für Lieder*innen-Bücher

Meine Rover*innenrunde beispielsweise hat vermutlich das erste Lieder*innenbuch erstellt. „Muss Lieder jetzt etwa gegendert werden?“ wurden wir gefragt. Selbstverständlich handelt es sich hierbei um ein Wortspiel. Ein bewusst provokatives obendrein. Doch wir wollten mit unserem Lieder*innenbuch darauf aufmerksam machen, dass die meisten Liederbücher, die wir bisher aufgeschlagen hatten, überwiegend Songs von männlichen Künstlern enthielten. Weibliche oder queere Perspektiven auf die Welt, in der wir leben, haben uns gefehlt.

Also: Ja, irgendwie muss auch hier anders gegendert werden. Aktuell ist das Lieder*innenbuch in unserem Stamm nicht mehr wegzudenken und bietet zugleich, wie wir finden, gute Alternativen zu dem oben beschriebenen Song.

Erstellt einfach eure eigenen Liederbücher!

Möchte ich, dass jeder Stamm ein solches Lieder*innenbuch hat? Das ist mir so egal. Wir haben eines, weil es zu uns passt, da wir viele queere Menschen in unserem Stamm haben. Für einen anderen Stamm sind vielleicht Arbeiter*innenlieder wichtig oder Lieder unterschiedlichster Sprachen, interaktive Lieder, ausgefallene Kinderlieder, Indie-Songs, wirkliche Evergreens …Vieles ist möglich!

Letztlich möchte ich eigentlich nur dazu ermutigen, dass es Spaß macht ein eigenes individuelles Liederbuch zu erstellen und daran erinnern, dass manche Songs, mit denen wir aufgewachsen sind… naja. Es gibt doch soo, soo viele Songs da draußen, mit denen sich ein Lagerfeuerabend gut begleiten ließe.

Also: Seid kreativ, tauscht euch aus and keep on rockin‘!

Die Top Ten Songs des Stamms St. Liutger Heilig Kreuz Münster

Angst frisst Demokratie – Paula Carolina

Deine Schuld – Julia Meladin

3 Sekunden – Céline, Paula Hartmann

Dying on the inside – Nessa Barrett

Gerlindes Garten – Paula Carolina

Joel – ok.danke.tschüss

Normal – Luna

People help the people – Birdy

We fell in love in October – girl in red

Chaotic Gender Neutral – Murder Person for Hire

Über den*die Autor*in

Frieda Zander

Frieda ist Mitglied im Diözesan-Arbeitskreis Kommunikation und Medien und aktiv im Stamm St. Liutger Heilig Kreuz Münster.