Eine typische Gruppenstunde in Bolivien – ein Erfahrungsbericht

Pfadfinder ist nicht gleich Pfadfinder, Gruppenstunde nicht gleich Gruppenstunde. Hier ein Beispiel, wie eine Gruppenstunde in Bolivien abläuft.

Um 13:30 mache ich mich mit den zwei weiteren Leitern auf den Weg zum Colegio Juan Pablo II. Es ist die erste bolivianische Gruppenstunde für mich und ich bin gespannt, wie es ablaufen wird. Am Colegio Juan Pablo II trifft sich jeden Samstag der Stamm Juan Pablo II. In Bolivien und gerade in Santa Cruz de la Sierra sind die Pfadfinderstämme an Schulen angegliedert und tragen meistens den Namen der Schule. Gegen 14:00 Uhr kommen wir an der Schule an. Ich bin relativ nervös, weil wir eigentlich schon viel zu spät sind. Normalerweise hätte die Gruppenstunde um 13:30 beginnen sollen, aber in Südamerika schlagen die Uhren ein bisschen langsamer.

Es sind erst ein paar Kinder und fast alle Leiter anwesend. Die Leiter treffen sich zu einer kleinen Leiterrunde und besprechen kurz wichtige Termine. Plötzlich gegen 14:20 Uhr wird es laut vor dem Eingangstor zur Schule und der Schulhof füllt sich mit Kindern und Jugendlichen in Kluften aus allen Altersstufen. Damit hatte ich nicht gerechnet! Alle Gruppen eines Stammes haben immer zur gleichen Zeit Gruppenstunde. Immer samstags um 13:30 Uhr (mit der normalen südamerikanischen Verzögerung) und es ist Pflicht die Kluft zu tragen.

Dann ertönt die Pfeife des Stammesvorstands. Das Pfeifen signalisiert, dass es jetzt offiziell losgeht. Alle Kinder und Jugendlichen versammeln sich in der Mitte vom Pausenhof und stellen sich in einem Halbkreis um die Stammesleitung auf. Danach wird die Anwesenheit aller Kinder kontrolliert. Dazu kommt der Truppsprecher nach vorne, begrüßt die Stammesleitung und teilt mit, dass alle aus dem eigenen Trupp anwesend sind. Danach kehrt der Truppsprecher zu seinem Trupp zurück und es wird ein Truppschlachtruf präsentiert. Ihr könnt euch vorstellen, dass das Prozedere etwas dauert. Ganz zum Schluss, bevor alle Kinder sich in die Altersstufen verteilen und ihr eigenes Programm machen, wird zufällig ein Kind ausgewählt, das nochmals nach vorne kommen muss und mit dem kompletten Stamm das Pfadfindergebet betet. In dieser Gruppenstunde hatte ich das Privileg, das Pfadfindergebet auf deutsch zu beten und alle anderen haben es auf spanisch nachgebetet. Gänsehaut pur kann ich euch nur sagen.

Foto: Sandrita Añez – Begrüßung

Nach der gemeinsamen Begrüßung geht es in die einzelnen Gruppenstunden, die ähnlich sind wie bei uns. Bei den Lobatos (Wölflingen) wurde ein Chaosspiel zu den Pfadfindergesetzen gespielt. Die Exploradores (Jungpfadfinder) haben Geschicklichkeitsspiele gespielt. Die Pioneros (Pfadfinder) und Rover haben zusammen im ersten Teil Lose für die jährliche Tombola (Rifa) in der Nachbarschaft verkauft und zum Schluss gemeinsam eine spezielle Art Fußball (3-Bein-Fussball) gespielt. Dabei werden immer 2 Spieler am linken und rechten Fuß zusammengebunden und dann kann das Spiel schon beginnen. Probiert es einfach mal aus! Es erfordert sehr viel Koordination, Konzentration und Ausdauer.

Foto: Boris Selaya

Nachdem die einzelnen Gruppenstunden vorbei waren, kamen nochmals alle zu einer Abschlussrunde zusammen. Dort werden alle wichtigen Informationen zur nächsten Gruppenstunde und zu anstehenden Aktionen weitergegeben. Was mich etwas überrascht hat, dass viele Eltern während der Gruppenstunde die komplette Zeit dabei waren und zwischendurch auch mitgemacht haben.

Im Anschluss an den Tag geht es für die Leiter noch gemeinsam zum Abendessen, wo gleichzeitig eine ausführliche Leiterrunde stattfindet.

Ich hoffe ihr habt einen kleinen Eindruck von Gruppenstunden in Bolivien und den Unterschieden bekommen können.

Über den*die Autor*in

Matthias Pfeil, Referent InGe