Fantastische Koffer …und wo sie zu finden sind

Sagen wir wie es ist: Der wohl bedeutendste Antrag der letzten Diözesanversammlung, wenn nicht der letzten sechs, ist – und das muss unumwunden einfach mal festgestellt werden – und bleibt […]

Sagen wir wie es ist: Der wohl bedeutendste Antrag der letzten Diözesanversammlung, wenn nicht der letzten sechs, ist – und das muss unumwunden einfach mal festgestellt werden – und bleibt Antrag 7. Für die wenigen unter euch, die diesen Antrag nicht schon eingehend studiert haben, hier noch einmal der Text (gerne ausdrucken, einrahmen und im Flur aufhängen, damit wir der Bedeutung gerecht werden) in seiner ganzen Tragweite und Bedeutungsschönheit: 

Die Diözesanleitung wird damit beauftragt, den Koffer von Newt Scamander zu besorgen und so ein nachhaltiges und pfadfindergerechtes Reisen zu ermöglichen.  Für die Betreuung des Koffers während der Reisen wird ein Koffer-Referent durch die Diözesanleitung votiert und den Vorstand ernannt und auf Hogwarts entsprechend ausgebildet. 

Da machen sich Generationen an Pfadfinder*innen Gedanken, wie zwei der wesentlichen pfadfinderischen Missionen miteinander in Einklang gebracht werden können. Wir wollen auf der einen Seite weltweilt unterwegs sein, aber auf der anderen ein klimaneutrales Pfadfinderleben gestalten. 

Und nun ist da dieses zauberhafte Buch mit all seiner Magie und kommt daher und muss uns den Weg weisen. Es ist kann doch so einfach sein. Der Koffer ermöglicht es uns Pfadfinder*innen endlich in Großgruppen die ganze Welt zu bereisen. Und das Ganze dann noch klimaneutral.  

Koffer auf und alle Teilnehmenden – einmal über die lange Holztreppe in die Kofferwelt gelangt – können die Unternehmung starten. Wieso sind wir nicht schon eher darauf gekommen, so zu reisen? 

Die Ideenfindung für klimafreundliche Sommer-Expeditionen war bei so mancher Roverrunde immer schnell am Ende: Mit Rad oder Wanderschuhen kommt man nicht weit, außerdem ist es ja auch anstrengend bei sommerlichen Temperaturen sich körperlich zu betätigen. Für das Kanu fehlt es vielerorts an Wasser in den richtigen Mengen mit der passenden Fließeigenschaft (als Fluss zum Beispiel). Fliegen wäre schön, aber den Traum vom klimaneutralen Fliegen haben die Gebrüder Wright mit ihrem Flugapparat nachhaltig korrumpiert.  

Der Koffer nun wird uns Dinge ermöglichen, die vorher undenkbar waren. Während der Fahrt können wir das Lager schon aufschlagen, Lagerbauten beginnen und uns einrichten. Versucht das mal in einem Bus! Kennenlern-Spiele finden auch nebenbei statt. Die ersten Wölflinge ziehen mutig los und lernen die Tierwelt mal so richtig kennen (Notfallumschlag unbedingt vorher unterschreiben lassen!). Die anderen Teilnehmenden können dann ja schon einmal zum CO2-Ausgleich ein paar Bäume im Koffer pflanzen. 

Der Koffer-Referent hat nur eine Aufgabe: Er stellt sicher, dass der Koffer schadlos das Zielland erreicht. Dadurch, dass der Koffer durch seine Maße locker als Handgepäck mitgenommen werden kann, ist nur ein Flugticket zum Reisen notwendig. Da bezüglich der Anreisezeit ja keine Eile geboten ist, kann bestenfalls auch mit der Bahn gereist werden. 

Das „muggelgerechte“ Öffnen des Deckels ermöglicht ein einfaches Einchecken und vermindert Probleme bei der Zollkontrolle, da man nur auf gewöhnliche Alltagsgegenstände wie Zahnpasta, ein New York Reiseführer, einige Hemden und einen Hufflepuff-Schal stößt. 

Was für eine wahnsinnige Vision! Oder ist es nur Wahnsinn? Oder blanke Phantasie? 

Natürlich ist es noch Fiktion, das ist klar. Aber wer hätte vor 115 Jahren gedacht, dass Pfadfinder*innen in nahezu jedem Land der Erde vertreten sein werden. Oder dass das Wissen der Welt in eine Hosentasche passt?  

Viele bahnbrechende Visionen wurden erstmal für verrückt oder völlig bescheuert erklärt, aber dann hat sich die Idee hinter der Vision durchgesetzt oder die Welt einfach dahin entwickelt. Denken wir an KITT, das sprechende Auto oder das Hooverboard von Marty McFly. 

Betrachten wir den Antrag, müssen wir für uns nun zuallererst die Bedeutung des Wortes “besorgen” genauer definieren. Denn sprachlich bedeutet es nicht nur “beschaffen”, sondern auch “ausführen, erledigen”. Da uns allen – die wir bei klarem Verstand sind – hoffentlich klar ist, dass es diesen Koffer nicht zu kaufen gibt (und wenn dann nur für gerundete 3,14 Fantastillionen) und auch niemand einen zu Hause rumfliegen hat, müssen wir uns der Vision nähern.  

Lasst uns bei all den physikalischen Unwägbarkeiten nun nicht zu sehr ins Detail gehen. Das behindert jetzt einfach nur den nächsten Gedankengang.  

Vielleicht hilft ja folgende Herangehensweise: Schneiden wir diese Vision doch einfach in ihre Einzelteile. Dann haben wir einen bunten Strauß an tollen Ideen, verrückten Herausforderungen und wenige zu lösende Probleme. Dann schnappen wir uns das erste Teil dieses Puzzles und lösen es. Eine andere Gruppe nimmt sich eines anderen Teiles an. Dann wird irgendwann irgendwer zwei Fetzen zusammenbringen, jemand anderes findet dann die Lösung für noch ein Teilproblem. Und so weiter. Und irgendwann in ferner Zukunft wird diese Vision in ihrer ganzen Schönheit wahr. Vielleicht in wenigen Jahren, vielleicht auch erst in 100 Jahren. Und wir? Wir waren Teil der Vision, Teil der Lösung.  Und nicht Teil des Problems. Und das Wichtigste: Wir hatten eine Menge Spaß dabei! 

Also: Lasst uns anfangen, loslegen, unterstützt die Diözesanleitung und nehmt euch der Herausforderung an! 

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