Interview mit Wendy Warhorse

Sebastian ist die Drag Queen „Wendy Warhorse".

Luca: Hi Sebastian, du bist eine Drag Queen, man könnte auch Drag Künstler sagen, oder?

Sebastian: Ja, ich bin die Drag Queen „Wendy Warhorse“. Und ja, Drag Queen ist immer eine Kunstfigur.

Was ist eine Drag Queen?

Ganz plump gesagt ist es ein Mann in Frauenkostümen. Eine Drag Queen ist eine Kunstfigur, die die Weiblichkeit überspitzt darstellen soll. Inzwischen gibt es da aber auch mehr Abspaltungen, wie z.B. Bearded Drags wie Conchita Wurst. Jedoch der Ursprung war tatsächlich, dass sich Männer als Frauen verkleideten und durch ein starkes Makeup die Kurven einer Frau überspitzt darstellten bei einer Bühnenschau.

Ein spannendes Hobby, wie bist du dazu gekommen?

Das ist eine gute Frage. Früher habe ich mit meiner Cousine die Sachen von meiner Oma angezogen und Verkleiden gespielt. Das fand ich immer cool. Mit der Zeit habe ich damit aufgehört, weil ein „Kerl“ sowas ja nicht macht und wenn man dann selber schwul ist, wollte ich auch nicht weiblich rüberkommen. Und Jungs wird ja sowieso suggeriert, dass du als Mann nicht weiblich sein darfst. So habe ich das alles abgelegt und wollte auch gar nichts damit zu tun haben.

Dann habe ich ein Paar in Münster kennengelernt, von denen einer eine Drag Queen war. Bei der haben wir einen Workshop mitgemacht und ich habe festgestellt, dass es mir sehr viel Spaß macht, sich mit der weiblichen Seite, die auch jeder Mann hat, auseinanderzusetzen. Ich würde sagen, ich bin sowieso sehr künstlerisch angetan und finde es einfach faszinierend, mein Gesicht so zu bemalen, dass es ganz andere Gesichtszüge und -formen bekommt.

Was willst du mit deiner Kunst erreichen oder aussagen?

Mit Wendy will ich die Vielfältigkeit zeigen, die es auf der Welt gibt. Ich habe als Wendy nie das gleiche Makeup, ich habe zwar mal die gleiche Perücke auf, aber ich kombiniere das ständig neu. Damit will ich immer was anderes darstellen und zeigen in dem Moment, weil es mir wichtig ist die Vielfältigkeit und die vielen bunten Facetten, die es gibt, offen zu legen.

Ich denke, ich möchte damit auch erreichen, dass es normaler wird, dass Menschen so rumlaufen können, wie sie wollen, ohne dass sie immer gleich für viele ein „sonderbares Wesen“ darstellen. Egal ob als Mann oder Frau. Da hat sich auch schon einiges getan. In meiner Jugend waren Männer Männer, und Frauen Frauen. Seit ein paar Jahren ist das viel offener. Männer haben mehr Makeup, Männer haben lackierte Fingernägel und laufen auch in Frauensachen herum. Sie sind losgelöster von männlich – weiblich.

Wie wirst du zu Wendy?

Grundsätzlich fängt die Verwandlung dann an, wenn ich mich anfange zu schminken. Wenn ich mein Gesicht geschminkt habe, dann ziehe ich die Breast Plate [künstliche Brüste] und dann die restlichen Sachen an. Abschließend setzte ich die Wick [Perücke] auf, dann ist Wendy fertig. Dafür brauche ich schon drei Stunden.

Wie bereitest du dich auf deinen Auftritt vor? Wie ist da dein Ablauf?

Das ist immer unterschiedlich. Wenn wir eine Show haben, dann bereiten wir Performances vor. Wir üben das zunächst roh und dann mit den Kostümen, die wir anziehen möchten, damit man ein Gefühl dafür bekommt. Zum Beispiel habe ich ja eine Breast Plate an, damit ich meine künstlichen Brüste habe. Diese schränken mich in der Bewegung schon ein. Da muss ich mich dann erst einmal rantasten.

Und wenn wir ein Hosting haben, brauche ich mich nicht groß vorbereiten. Ich bin da einfach Wendy auf der Party, empfange zum Beispiel Gäste, verteile Shots und stehe für Gespräche zur Verfügung.

Du hast mir mal erzählt, dass es eine Drag Familie gibt, und du eine Drag Mom hast, woher kommt das und was ist das?

Die ursprüngliche Form von Drag kommt aus der afro- und lateinamerikanischen LGBTQ-Szene in den USA. Da gab es schon früh die Ball Rooms. Dort traten vor allem Transfrauen in einem Wettbewerb gegeneinander an. Da diese Mädchen von zuhause geflohen waren, weil sie keine Männer sein wollten, standen sie auf der Straße und es haben sich die Drag Häuser gebildet. Die Drag Moms haben sich dort um die jungen Frauen gekümmert. Sie waren also wie Hausmütter, die selbst auch Transfrauen waren und die Kinder aufgenommen haben.

Und diese Drag Moms gibt es immer noch bzw. leiteten sich daraus ab. Sie ist eine Drag Queen, die jemanden an die Hand nimmt und in das Dasein einer Drag Queen einführt. Also wie schminke ich mich, worauf muss ich achten, dass das Make up vernünftig sitzt usw.

Mir kommt es vor, als wäre Drag ist in den letzten Jahren immer bekannter und populärer geworden. Es gibt mittlerweile auch deutsche TV-Shows wie Drag Race Germany. Wie nimmst du die Veränderung wahr und inwiefern wünschst du dir noch einen Wandel in der Gesellschaft?

Ich sehe da keine so große Veränderung in der Popularität, außer dass es jetzt reine Drag Shows gibt. Drag ist ja auch an die Travestie angeknüpft, kommt nur aus einer anderen Spate. In der Travestie machst du eigentlich sehr genau eine Künstlerin oder Künstler nach und versuchst das Gefühl, was diese Künstlerin normalerweise auf die Bühne bringt, darzustellen. Und im Drag, welches zwar aus einer anderen Spate entstanden ist, machst du auch Auftritte, in denen du Songs Playback singst oder so. Du bringst allerdings deine eigene Note mit rein. Und wenn ich so zurückdenke, so Travestie-Shows sind schon immer besucht und populär gewesen. Aber es war halt immer nur in den Shows. Und inzwischen kommt man raus, sieht Drags auch auf nicht-queeren Partys. Es kommt viel mehr vor, dass wir uns draußen freier und noch mehr in der Öffentlichkeit bewegen, was zuvor mehr begrenzt war auf queere Räume.

Ich kenne ein Foto, da ist eine Drag Queen mit dem E-Roller durch Münster zu einem Auftritt gefahren. Das hätte es früher so nicht gegeben. Jetzt sind wir auch wo anders und rütteln die Leute wach. Je öfter wir nun auf einer nicht-queeren Party sind, desto mehr gewöhnen sich die Leute daran.

Also aus meiner Sicht ist die Veränderung, dass wir mehr im alltäglichen Raum und nicht nur in Shows zu sehen sind. Und einen Wandel brauchen wir dahingehend immer noch, dass einfach jeder und jede alle anderen Meschen akzeptiert egal wie unterschiedlich sie sind.

Eine letzte Frage noch, wie kam es zu deinem sehr extravaganten Namen? Also: ist er extravagant in der Szene?

Ja, der ist extravagant. Den hat mir meine Drag Mom verliehen. Als ich im Drag Workshop war, habe ich dagestanden und gesagt, wenn ich einen Namen finde, dann kann ich mir vorstellen das zu machen. Sie hat dann gesagt, du bist Wendy Warhorse. Ich fand das ziemlich cool, weil ich mit Pferden arbeite und auch mit Pferden zu tun haben. Da gibt es ja die Pferdezeitschrift Wendy und Warhorse – von Kriegspferd – und irgendwie passte das zu mir.

Vielen Dank für das Gespräch.

Über den*die Autor*in

Luca Reppenhorst