Ist Pfadfinden politisch?

Die Bundesversammlung hat auf diese Frage eine klare Antwort gefunden. Aber wie sieht es im praktischen Pfadileben aus?

Woran denkt ihr, wenn ihr „Politik“ und „politisch sein“ hört? An politische Parteien, an die Bundesregierung, an Angela Merkel, an Wahlen und Demokratie? Vermutlich habt ihr nicht zuerst an die DPSG gedacht. Kein Wunder. Denn unter Politik versteht man meistens das, was auf lokaler, landesweiter, nationaler oder internationaler Ebene für die Allgemeinheit entschieden und geregelt wird. Im klassischen Sinne bezeichnet Politik das Öffentliche bzw. das, was alle Bürger*innen betrifft und verpflichtet, konkreter gesagt also das Handeln des Staates und das Handeln in staatlichen Angelegenheiten. Dieser Begriff der Politik ist aus dem griechischen Dualismus von polis und oikos – Öffentlichkeit und Privatem entstanden, die jeweils unterschiedlichen rechtlichen Gesetzmäßigkeiten unterlagen. Ob diese Trennung des Politischen und Privaten in der Moderne noch gültig ist, ist fraglich, aber darum soll es hier nicht gehen. 

Was bedeutet für dich politisch sein?

In einer Partei mitarbeiten, es ist mehr als einmal wählen zu gehen und sich dann nicht mehr für Politik zu interessieren.

Sarah, 21, DPSG Senden

Politisch sein heißt, sich sozial zu engagieren.

Pascal, 17, DPSG St. Agatha Dorsten

Politisch sein ist, eine Meinung zum öffentlichen Leben haben und diese zu vertreten und darüber zu diskutieren.

Gabriel, 21, DPSG Senden

Das heißt sich für die Gesellschaft und andere einzusetzen.

Paula, 18, DPSG St. Agatha Dorsten

Politisch sein heißt, dass man eine eigene Meinung hat und diese auch äußert.

Lorenz, 15, DPSG St. Agatha Dorsten

In diesem Text geht es um die DPSG und ihr Verhältnis zum Politischen, denn seit 2017 ist es offiziell: Die 83. Bundesversammlung hat Pfadfinden für politisch erklärt. Im Beschluss werden DPSGler*innen klar als Demokrat*innen gekennzeichnet. Auch in der Ordnung bekennt sich der Verband eindeutig zum Grundgesetz und der darin festgehaltenen „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“. An verschiedenen Stellen der Ordnung wird diese Haltung gestützt, so heißt es zum Beispiel in den Handlungsfeldern: 

Als Pfadfinderin oder Pfadfinder sind wir politisch und politisch aktiv. Auf Grundlage unserer pfadfinderischen und christlichen Werte entwickelt jede und jeder eine Meinung zu aktuellen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen. Wir habe eine Stimme, die wir erheben. Das tun wir, indem wir öffentlich Stellung beziehen, für unsere Meinung eintreten und Gesellschaft mitgestalten.

Dieses Konzept findet sich auch in den Schwerpunkten aller vier Stufen: Wölflinge mischen mit, Jungpfadfinder*innen erleben das Abenteuer Gesellschaft, Pfadis wagen es, ihre Meinung zu vertreten und Rover*innen übernehmen Verantwortung.  

In der Praxis zeigt sich das Politische in der DPSG vor allem in den Möglichkeiten der Mitbestimmung: wir diskutieren in Gruppenstunden, Leiterrunden, auf Stammes-, Bezirks-, Diözesan- und Bundesversammlungen, in AK-Treffen und Ausschüssen. Wir entscheiden mit unseren Wölflingen über das nächste Fangenspiel, mit den Juffis über das Mittagessen im Sommerlager, mit den Pfadis über das Ziel des kommenden Zeltlagers und der Roverrunde über die Gestaltung der Weihnachtsfeier. Mit den Kindern und Jugendlichen, nicht für.

Klar, das ist nicht immer einfach, Diskussionen brauchen Zeit, Kompromisse fordern Geduld, nicht jede*r kann haben, was er*sie möchte. Aber es lohnt sich, denn die Befähigung zur demokratischen Meinungsbildung und -äußerung ist eines der wichtigsten Dinge, die wir den Kindern und Jugendlichen mitgeben können. Das gilt auch, wenn es den Jugendlichen, die wir für diese Ausgabe zu den Fragen „Was bedeutet für dich politisch sein?“ und „Denkst du, dass Pfadfinden politisch ist?“ interviewt haben, sich dessen nicht bewusst sind oder sie dieses nicht artikulieren können. Vielleicht haben sie unsere demokratischen Strukturen schon so tief verinnerlicht, dass sie sich diese nicht bewusst machen können.  

Denkst du, dass Pfadfinden politisch ist?

Pfadfinden ist politisch, weil man in einer Gruppe unterwegs ist und es dort Regeln und Ordnungen gibt, ohne die die Gruppe nicht funktioniert.

Ben, 16, DPSG St. Agatha Dorsten

Allein Pfadfinder*in zu sein setzt schon ein Zeichen für die Umwelt und Naturschutz, also ja.

Sarah, 21, DPSG Senden

Klar ist Pfadfinden politisch, weil wir wählen – Kornetts zum Beispiel oder den Stammesvorstand. Es gibt also demokratische Strukturen.

Justus, 16, DPSG St. Agatha Dorsten

Als Pfadfinder*in setzt man zwar ein Statement, aber so wie ich das Pfadfinden im Stamm lebe, ist es nicht politisch.

Gabriel, 21, DPSG Senden

Auf internationaler Ebene wurde Pfadfinden vom WOSM übrigens für unpolitisch erklärt: „The Scout Movement is a voluntary non-political educational movement for young people, open to all without distinction of gender, origin, race or creed.“ Vielleicht sollte da mal jemand anrufen und erklären, dass „politisch“ nicht „parteipolitisch“ bedeutet. Denn politisch und demokratisch gebildete junge Menschen brauchen wir nicht nur in Deutschland sondern auf der ganzen Welt dringender denn je. 

Bilder: DPSG Bundesverband, z.T. Teresa Diem

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