Sommer 2021, Zeltlager bei Hildesheim. Meine Roverrunde hat sich schon mit viel zeitlichem Vorlauf überlegt, dass sie gerne nach Hannover hiken und eine Kneipentour machen möchte. 50 km Weg, gute zwei Tage Wanderung. Eine Wanderkarte sollte vor Ort gekauft und die Strecke dann im Zeltlager geplant werden. Schade nur, dass es in Hildesheim keine entsprechende Karte zu kaufen gab, beziehungsweise die Karte, die dann vom Einkaufsteam mitgebracht wurde, knapp nördlich von Hildesheim aufhörte. Und schon standen wir vor einer Frage, bei der sich bei uns im Verband längst die Geister scheiden: Karte und Kompass oder Google Maps?
Welches Thema wäre für ein digitales Magazin naheliegender als die Digitalisierung selbst? Man kann wohl mit Fug und Recht sagen, dass die Digitalisierung überall ist.
Und das ist ja auch gut so, schließlich macht sie vieles einfacher, schneller und ökologischer (bezüglich der Papiereinsparungen, nicht so sehr bezüglich des Energieaufwandes). Man hat jedes Ticket jederzeit in der Hosentasche, kann von überall aus etwas recherchieren, jede*n immer erreichen. Man kann sich treffen, ohne weite Fahrtstrecken auf sich zu nehmen. Als Mensch, der außerhalb des DVs lebt, profitiere ich gerade von digitalen Planungsrunden sehr. Also alles supi?
“Pfadigital – Laptop am Lagerfeuer”, der Titel dieser VZ-Ausgabe, zeigt die Diskrepanz, die sich mit Blick auf unsere digitalisierte Welt und unseren pfadfinderischen Alltag ergibt.
Ich habe gerade unsere Zeltlager als Insel des Analogen erlebt. Das Handy ausschalten oder zumindest im Zelt liegen lassen. Kein Instagram, keine Nachrichten von Menschen außerhalb des Zeltlagers beantworten, die politische Weltlage ausblenden. Morgens nicht die Wetterapp checken, sondern einfach den Kopf aus dem Zelt strecken. Den Tag auf sich zukommen lassen, einfach mal schauen, was passiert und dann reagieren.
Das haben wir uns bei unserem Hike nach Hannover mit der unzureichenden Wanderkarte so nicht getraut. Eine Lösung musste her. Wir wollten die Wanderung an sich gerne ohne Google Maps machen. Also haben wir uns hingesetzt, haben die Route in der App eingegeben und uns alle Weggabelungen bis Hannover auf einem Zettel notiert. Das ging auch gut, bis wir einen halben Tag lang um einen riesigen Salzberg herumgewandert sind, der eigentlich nicht auf der Route lag. Strahlend weiß ragte der da aus der Landschaft und wollte nicht aus unserem Blickfeld verschwinden. Ihr könnt euch vorstellen, was die einfachste Lösung war.
Mit Sicherheit hätte man auch ohne digitale Hilfe den Weg gefunden – Straßenschilder, Sonnenstand, Passanten befragen sind da nur einige Ansätze. Und ich persönlich betrachte es nach wie vor als krassen Vorteil, eine Landkarte lesen und nutzen zu können. Aber oft ist es halt einfacher und schneller, auf digitale Optionen zurückzugreifen.
Und ganz ehrlich: Wie realitätsfern wäre es denn, diese Optionen nicht zu nutzen. Denn so schön wie unsere Zeltlager ohne Strom und mittelmäßigen Sanitäranlagen auch sind, wir haben den Auftrag, unsere Gruppenkinder zu mündigen und selbstbestimmten Menschen zu erziehen und das heißt auch, dass sie die Chancen und Gefahren des Digitalen einzuschätzen lernen.
Das ist für mich im pfadfinderischen Kontext kein klassisches Entweder-Oder, sondern ein Sowohl-Als auch. Also: nicht zwanghaft verlaufen, nur um digitale Lösungen zu scheuen, aber im Zweifelsfall einen Regentropfen abkriegen. Digitales da einsetzen, wo es unsere Jugendverbandsarbeit erleichtert und verbessert. Einige Hinweise, wie das noch besser gelingt, haben wir in dieser Verbandszeug gesammelt. Aber vor allem: Den persönlichen Kontakt erhalten und den Zauber des Zeltlagers bewahren – und das geht am besten ganz analog und ohne Laptop am Lagerfeuer.