Pfadfinderkinder der DPSG machen eine Handabstimmung .

Mitbestimmung im Wandel der Zeit

Von Gehorsam zu Mitbestimmung: Wie sich in der DPSG autoritäre Leitungsprinzipien zur gezielten demokratischen Beteiligung von Kindern und Jugendlichen entwickelten.

Gibt man „Mitbestimmung“ als Suche in der aktuellen Ordnung des Verbandes ein, so erhält man gleich mehrere Treffer. Mitbestimmung ist also in der DPSG fest verankert. Doch das war nicht immer so.

Strenge und Disziplin

Anfang des 20. Jahrhunderts herrschten in Deutschland klare Autoritätsverhältnisse. Als Kind galt es zu gehorchen, fleißig zu sein und sich anzupassen.

Der damals verbreitete Erziehungsstil war von Strenge geprägt. Mitsprache? Fehlanzeige. Weder in der Familie noch in der Schule wurden Kinder nach ihrer Meinung gefragt. Politik und Gesellschaft beschäftigten sich kaum mit Kinderrechten. Viele Erwachsene hielten es sogar für schädlich, wenn Kinder zu viel Freiheit bekamen.

Bei den Pfadfindern hatten die „Führer“ das sagen und bestimmten was gemacht wird.

Die Zeiten ändern sich – Wiederaufbau und Gemeinschaftsgeist

Nach 1945 begannen viele Pfadfindergruppen in Westdeutschland neu – mit einem stärkeren Fokus auf Gemeinschaft, Freundschaft und Völkerverständigung. Doch auch hier blieb die Struktur zunächst hierarchisch. Entscheidungen trafen meist die Leiter, während jüngere Mitglieder eher ausführten.

Die 1970er-Jahre: Aufbruch, Protest und die ersten Schritte zur Mitbestimmung

Mit dem gesellschaftlichen Wandel der 1960er- und 70er-Jahre kam jedoch Bewegung in die Pfadfinderarbeit. Die Jugend wollte mehr Freiheit, mehr Beteiligung, mehr Gleichberechtigung.

Die Idee der „antiautoritären Erziehung“ wurde in vielen Familien diskutiert. Zwar übertrieben manche Eltern diese Freiheit, doch das Thema „Mitbestimmung“ war nun nicht mehr tabu.

In den Schulen entstanden erstmals Schülervertretungen (SVs), und Kinder- und Jugendgruppen begannen, sich politisch zu engagieren. Umwelt- und Friedensbewegungen fanden bei Jugendlichen großen Zulauf – sie wollten nicht länger Zuschauer sein, sondern Akteure.

Dieses Streben machte auch vor der Pfadfinderarbeit nicht halt. Es gab Mitsprache in den Gruppenstunden und in Lagern.

Die 1980er- und 90er-Jahre: Kinderrechte werden ernst genommen

Ein Meilenstein war das Jahr 1989: Die Vereinten Nationen verabschiedeten die UN-Kinderrechtskonvention, die festlegt, dass Kinder ein Recht auf Beteiligung haben. Deutschland ratifizierte sie 1992. Damit wurde erstmals international festgeschrieben, dass Kinder in allen Angelegenheiten, die sie betreffen, ihre Meinung äußern dürfen und diese auch berücksichtigt werden muss.

Noch bestehende Herausforderungen

Trotz der großen Fortschritte ist Mitsprache in Pfadfindergruppen nicht überall gleich stark verankert. Manche Leiterinnen und Leiter tun sich schwer damit, Kontrolle abzugeben oder Entscheidungen wirklich an die Jugendlichen zu delegieren.

Jüngere Kinder brauchen noch Unterstützung, um ihre Meinung zu formulieren und ernst genommen zu werden.

Was sagte Baden-Powell zur Mitbestimmung

Zu „BiPis“ Zeiten gab es praktisch keine Kindermitbestimmung. Trotzdem war das ein Ziel seiner Pfadfinderidee. Geboren aus seiner Zeit beim Militär stellte er fest, dass durch das Einbringen vieler Ideen am Ende ein besseres Ergebnis stehen kann.

Festmachen kann man das besonders an seinem Prinzip „Look at the boy/girl“. Gruppenleitende sollen auf die Wünsche und Bedürfnisse des Einzelnen schauen. Der pädagogische Ansatz ist aber keine Einbahnstraße. Vielmehr sollen Kinder und Jugendliche ihre Bedürfnisse auch artikulieren dürfen. Denkt man dies zu Ende kann die Folge nur eine Mitbestimmung sein.

Zusammengefasst

Vom autoritären „Führerprinzip“ der Anfangszeit zur basisdemokratischen Beteiligung von heute – die Pfadfinderbewegung hat einen tiefgreifenden Wandel durchlaufen. Kinder und Jugendliche sind längst nicht mehr nur Teilnehmende, sondern Mitgestaltende. Sie planen, entscheiden, übernehmen Verantwortung – und lernen dabei, was Demokratie wirklich bedeutet.

Titelbild: Sebastian Humbek

Über den*die Autor*in

Frank Winkler

Frank ist Referent für Verbandsgeschichte und Archivwesen im DV Münster.