Tiny Forests – Die Wildnis in die Stadt holen

Ein Interview mit dem KleinWald e.V. aus Münster

Tiny Forests sind kleine naturbelassende Wälder im städtischen Raum, die Mensch und Natur von Nutzen sind. Mittlerweile sind sie in einigen deutschen Städten zu finden. Der KleinWald e.V. setzt sich dafür ein, dass Münster bald dazugehört.

Parks, Gärten und Grünstreifen stellen in vielen Städten einen willkommenen Kontrast zum Grau der Straßen und Fassaden dar. Aber echter Wald innerhalb von Stadtzentren? Bis vor wenigen Jahren war das noch ein grüner Traum. Doch dank eines innovativen Konzepts und vieler hochmotivierter Aktivist*innen gehen diese Träume immer öfter in Erfüllung.

Plötzlich schießt ein Wald aus dem Boden

In einem Tiny Forest – oft auch Mini-Wald oder Kleinwald genannt – werden auf Flächen ab der Größe eines Tennisplatzes heimische Bäume und Sträucher gepflanzt, die – nach einer kurzen Unterstützungsphase in den ersten Jahren – sich selbst überlassen werden. Hierbei wird die sogenannte „Miyawaki-Methode“ angewandt, benannt nach dem japanischen Forstwissenschaftler Akira Miyawaki. Um die Entstehung des Waldes zu beschleunigen, werden die Pflanzen dicht auf engem Raum gepflanzt. Das erhöht den Konkurrenzdruck und lässt die Pflanzen in die Höhe schießen: Bereits nach drei Jahren entstehen sich selbst erhaltende Ökosysteme.

Die dichte Pflanzung ist ein besonderes Merkmal eines Tiny Forests. Sie gewährleistet einen hohen Konkurrenzdruck, der die Bäume und Sträucher hochschießen lässt.
Bild: citizens-forests.org

Tiny Forests für Mensch und Natur

Die Vorteile der kleinen Waldinseln sind zahlreich. Sie spenden Schatten und wirken wie Kühlanlagen in den Städten, die sich Sommer für Sommer immer stärker aufheizen. Gleichzeitig sollen sie die Luft von Schadstoffen reinigen und die Artenvielfalt unterstützen. Im Idealfall werden für die Pflanzung von Tiny Forests versiegelte Flächen aufgebrochen. Darüber hinaus ergeben sich auch willkommene soziale Aspekte. Oft werden Tiny Forests mit Hilfe von Menschen aus dem jeweiligen Viertel. Auch Schulklassen und Kitas können unterstützen. Sie können für Bildungszwecke genutzt werden und schattige Nachbarschaftstreffpunkte darstellen. Durch den geringen Pflegeaufwand im Vergleich zu Parkanlagen können mit Tiny Forests sogar Kosten gespart werden.

Kleinwälder pflanzen sich nicht von selbst

Die wenigsten Stadtverwaltungen kommen von allein auf die Idee Tiny Forests ins Stadtbild aufzunehmen. In der Regel sind es Vereine oder engagierte Einzelpersonen, die sich dem Thema verschreiben und es an den richtigen Stellen platzieren. So konnten in Deutschland bisher über 30 kleine Wälder gepflanzt werden. Dass Münster – trotz des 2019 ausgerufenen Klimanotstands und dem Ziel der Klimaneutralität bis 2030 – noch nicht Heimat eines Tiny Forests ist, soll sich bald ändern. Denn der KleinWald e.V. hat es sich zur Aufgabe gemacht Mini-Wälder in der Domstadt zu etablieren. Ihr erstes Ziel: eine 600m² große Fläche im Hansaviertel auf der – mehr Symbolkraft geht nicht – bis vor Kurzem eine Tankstelle.

Wir haben mit Sabrina Sondermann und Nina Nanz vom KleinWald e.V. gesprochen.

Möchtet ihr euch und euren Verein unseren Leser*innen kurz vorstellen?

Sabrina : Wir stellen uns immer gerne vor! Der KleinWald e.V. ist ein noch recht frisch gegründeter Verein hier in Münster und wir verfolgen vor allem das Ziel einen Tiny Forest oder wie wir ihn häufig nennen: KleinWald, in Münster zu pflanzen. Offiziell gegründet haben wir uns im Januar 2024 (juhu) und arbeiten seitdem an unserem Vorhaben. Wir sind eine interdisziplinäre und bunte Gruppe an Menschen, die vor allem die Stadt und die Natur zusammenhält und begeistert. Wir sind mit jedem Alter vertreten und mit verschiedenen beruflichen backgrounds. Es ist total inspirierend verschiedene Sichtweisen auf unser Projekt zu haben und dabei immer neue Ideen zu generieren. Bei uns gilt: jeder lernt von jedem und alle Menschen die Lust haben sind jederzeit willkommen!

Nina: Hallo auch von mir! Wir freuen uns, unsere Motivation und unser Wissen zu nutzen, um aktiv die grüne Stadt von morgen mitzugestalten. Besonders der Austausch in der Gruppe tut gut, weil jeder Schritt von der Planung bis zur Öffentlichkeitsarbeit und der hoffentlich baldigen Umsetzung von motivierten Freiwilligen gestaltet wird, die ein starkes Bewusstsein für Naturschutz und die eigenen Handlungsmöglichkeiten mitbringen.

Was genau hat euch bewegt, den Kleinwald e.V. zu gründen?

Sabrina: Unsere innere Motivation kommt vor allem aus dem Willen: Wir können auch anders!

Ich als Vorsitzende habe im Rahmen meines Geographiestudiums in Münster von dem Begriff gehört und war schnell begeistert. „Das braucht jede Stadt und das sofort“, dachte ich mir. Einen Ort der Naturschutz, Klimaanpassung und Partizipation in eins fassen kann, braucht jeder, besonders in Zeiten multipler Krisen. Unsere Motivation ist es Naturschutz mit Stadt vereinen zu können aber auch für mehr Menschen zugänglich zu machen. Naturschutz kann nämlich Spaß machen und vor allem auch Kritiker*innen überzeugen. Ein Tiny Forest kann zeigen, dass nichts auf der Welt eindimensional betrachtet werden kann und vor allem, dass die Welt nicht schwarz/weiß ist. Das ist ein Tiny Forest nämlich auch nicht. Der KleinWald kann in Zukunft als Begegnungsort in Quartieren gesehen werden und gleichzeitig ein Rückzugsort für die Natur sein. Als Geographin begeistert mich natürlich auch inwiefern Nachbarschaften den KleinWald annehmen und sich auch zu eigen machen. Der Ort soll für alle Menschen da sein und sich vor allem konsumorientierten Freiflächen abwenden. Es soll ein Ort des Durchatmens und des Respekts sein.

Ein neuer Tiny Forest wird angelegt. Oft sind es Vereine, Schulen oder KiTas, die für die Projekte verantwortlich sind und Menschen zur Mitarbeit mobilisieren.
Bild: citizens-forests.org

Nina: Sabrina und ich haben uns in der Uni bei einem Seminar zu kritischer Stadtgeographie kennengelernt und schnell gemerkt, dass wir uns beide – sie als Geographin und ich als Landschaftsökologin – eine grünere Stadt wünschen, die den Menschen als Begegnungsort ohne Konsumzwang offensteht und verschiedene kleinräumige Strukturen anbietet. Ein KleinWald kann so viel leisten, sowohl für die Menschen, die ihn mit pflanzen und sich im Raum drum herum aufhalten als auch für die Natur, die darin einen Rückzugsraum und eine grüne Oase inmitten versiegelter Flächen findet. Darin liegt unsere Motivation!

Wie müssen wir uns eure Arbeit im Verein vorstellen? Mit wem sprecht ihr? Was plant ihr?

Sabrina: Unsere Arbeit ist ehrenamtlich und sieht verschieden aus. Am Anfang drehte es sich viel um unsere Vereinsgründung etc. Nachdem das aber abgefrühstückt war ging es daran eine Website zu konzipieren und zu Networken. Das Networken ist ein großer Teil unserer Arbeit, mit dem vor allem ich vertraut bin. Wir haben connections hergestellt zu anderen Vereinen in Münster aber auch mit anderen großen Vereinen, wie der MIYA e.V. aus Berlin oder Citizen Forest aus Hamburg. Wir sind häufig auf Networking Veranstaltungen anzutreffen wie dem Parking Day oder dem Kompostfestival. Diese Treffen sind für uns besonders wichtig, um Erfahrungswerte auszutauschen und um auf uns aufmerksam zu machen.

In der Zwischenzeit haben andere Mitglieder gemeinsam mit mir einen vorläufigen Projektplan erstellt für unser Vorhaben mitsamt einer Pflanzliste und eines Finanzplans.

Um an eine geeignete Fläche zu gelangen in der Stadt Münster sind wir vor allem auch im Austausch mit dem Amt für Grünflächen und dem Bürgermeister- Mitte. Kürzlich habe ich auch mit dem Leiter des Nachhaltigkeitshauses der Stadt Münster gesprochen und wir haben uns gegenseitig über die neusten Ereignisse ausgetauscht. Zurzeit fokussieren wir uns vor allem auf eine städtische Fläche, damit der KleinWald für viele zugänglich ist. Dabei sind wir besonders auf die Hilfe der Stadt angewiesen. Solche Vorhaben wie der KleinWald stehen häufig im Nutzungskonflikt mit Immobilien o.ä. , wodurch die Suche meist erschwert wird. Wir als Verein fordern ein Umdenken in der Planung und ein kritisches Hinterfragen von kapitalistischen Strukturen in der Planung von Städten.

Um einen Tiny Forest zu finanzieren sind wir ebenfalls auf der Suche nach Fördergeldern. Diese Aufgabe übernimmt Andrea bei uns im Verein. Das Recherchieren und Telefonieren mit möglichen Fördergeber*innen ist also auch Teil der Vereinsarbeit. Mit Rat und Tat steht uns ebenfalls das REACH zu stelle, dass uns besonders bei unserem Crowdfunding Vorhaben mit seinem Wissen unterstützt.

Gemeinsam haben wir uns auch für den Umweltpreis 2024 in Münster beworben und hoffen zu gewinnen.

Wir als Verein treffen uns meist alle zwei bis drei Wochen, um gemeinsame Aufgaben zu besprechen und neu einzuteilen. Der Spaß bleibt aber auch nie auf der Strecke, sodass wir auch mal zu dem ein oder anderen Spiel und das ein oder andere Bier greifen.

Nina: Sabrina hat schon einen guten Überblick über unsere Vereinsarbeit gegeben, deswegen möchte ich bloß noch hinzufügen, dass wir neben den administrativen Aufgaben allzeit mit offenen Augen durch die Stadt gehen, um geeignete Flächen für einen KleinWald zu erspähen. Außerdem sprechen wir mit Freunden und Bekannten über unsere Idee, um auf die (bekannten) Probleme der Stadtplanung und der Klimakrise aufmerksam zu machen und zeigen wollen, dass man auch in freiwilligem Engagement schon viel erreichen kann und dabei andere motivierte Menschen kennenlernt, die auch etwas verändern möchten.

Wenn wir mit Menschen über unsere Idee sprechen, fragen viele, wann die Pflanzaktion startet und ob sie mithelfen können.

Wie reagieren die Menschen, wenn ihr ihnen von der Idee von Tiny Forests in ihrer Stadt erzählt?

Sabrina: Die meisten Menschen reagieren durchweg positiv und es entsteht schnell ein interessierter Austausch. Vielen ist das Wort kein Begriff, nach einer kurzen Erklärung sind die meisten aber begeistert. Am 08.08.2024 war unser letzter Vortrag gemeinsam organisiert mit der Nachbarschaftsinitiative Platanenpower und weiteren Vortragenden. Der Abend war mit ca. 70 Interessierten super besucht und alle waren interessiert dabei. Selbstverständlich gibt es auch kritischere Stimmen.

Nina: Wenn wir mit Menschen über unsere Idee sprechen, fragen viele, wann die Pflanzaktion startet und ob sie mithelfen können. Daran merken wir, dass das Interesse groß ist und die Menschen Lust haben, auch aktiv die Stadt mitzugestalten. Das Schöne an einem kleinen städtischen Wald ist ja auch, dass er von Menschen gepflanzt werden kann, die ansonsten wenig gärtnerische Erfahrung haben und dass die gemeinsame Pflanzaktion als solches schon ein Ort der Begegnung ist! Andere fragen uns, warum es so etwas nicht schon längst gibt und das fragen wir uns auch.

Wenn man sich über Tiny Forests informiert, findet man auch Stimmen, die den großen Nutzen der kleinen Wälder in Frage stellen. Was entgegnet ihr diesen Stimmen?

Sabrina: Wie bei allem gibt es immer zwei Seiten der Medaille und viele Meinungen. Wir als Verein verstehen die Skepsis dem Projekt gegenüber appellieren aber immer dazu mit uns in den Dialog zu treten und sich gemeinsam zu informieren.

Am häufigsten genannt wird das Thema Vandalismus. Viele haben Angst davor, dass der Tiny Forest zerstört wird oder zum Opfer von großen Mengen Müll wird. Hierzu haben wir uns vor allem mit dem Verein Citizen Forest e.V ausgetauscht und ihre Erfahrungswerte für Nachfragen genutzt. Gemeinsam mit Bürger*innen haben sie zahlreiche Tiny Forests in Hamburg gepflanzt und das Thema Vandalismus beobachtet. Um aber Zerstörungen vorzubeugen wird der Tiny Forest mit einem Staketenzaun und einem Hinweisschild geschützt. Außerdem soll die Zusammenarbeit mit den Anwohnenden und weiteren Interessierten dazu führen, dass viele Menschen sich mit dem KleinWald identifizieren können und somit diesen schützen. Selbstverständlich gibt es nie die Garantie, dass Tiny Forests Müll frei und ganz bleiben, die Erfahrungswerte des Hamburgers Verein sagen aber, dass Vandalismus im realen Leben eher selten eine Rolle spielt.

Wir als Verein sagen: Wir müssen anderen Menschen auch mal etwas zutrauen, sonst kommen wir nicht voran!

Den großen Nutzen des KleinWaldes hat bis jetzt noch niemand in Frage gestellt, wer aber Studien dazu lesen möchte, kann sich der Uni Wangeningen zuwenden, die schon viele Tiny Forest Projekte begleitet haben. Die Niederlande haben schon viele Tiny Forest umgesetzt und sind da wieder etwas schneller als wir in Deutschland. Es bleibt aber unumstritten, dass Tiny Forests einen positiven Einfluss auf die Städte haben in punkto Biodiversität. Welche sozialen Faktoren ein Tiny Forest beeinflussen kann, ist weniger erforscht, darüber möchte ich als Geographin aber gerne weiter forschen und Erkenntnisse gewinnen. 

Nina: Die Kritiker*innen fragen sich vor allem, ob solch ein kleiner Wald einen Unterschied im Kampf gegen den Klimawandel macht. Wir sagen, dass schon eine kleine, wilde Grünfläche in der urbanen Umwelt die Luftverschmutzung und Flächenversiegelung abpuffern kann, wenn auch vorerst lokal und kleinräumig. Viele solche Projekte können einen signifikanten Einfluss haben und nebenbei die Menschen für städtischen Naturschutz sensibilisieren.

Eure Prognose: Wann wird in Münster der erste Tiny Forest gepflanzt?

Sabrina: Wir stehen im engen Austausch mit der Stadt und sind voller sturem und durchsetzungsstarkem Enthusiasmus. Wir werden nicht aufhören Anträge zu stellen und weiter über das Thema zu sprechen. Wir sehen die Stadt auch in der Pflicht zu kooperieren, da das Vorhaben eines Tiny Forests im Klimastadtvertrag der Stadt Münster steht.

Super optimistische Prognose: Herbst 2025/ Frühjahr 2026

Wir sind viele und schaffen gemeinsam viel.

Eure Arbeit klingt nach einem perfekten Thema für Pfadfinder*innen. Was wäre euer Rat für unsere Pfadfinder*innen, die das hier lesen und es kaum abwarten können, ein Tiny Forest-Projekt in ihrer Stadt zu starten?

Lets go! 😊 Jeder Tiny Forest ist ein Gewinn, je mehr, desto besser. Projekte klappen am besten gemeinsam, sprecht also miteinander und findet gleichgesinnte. Verschiedene Vereine bieten Kurse an, um zu lernen wie ein Tiny Forest optimal gepflanzt wird und dann heißt es an die Arbeit.

Der Verein KleinWald e.V steht euch auch jederzeit mit Rat und Tat zur Stelle.

Fragt bei Umwelt-Initiativen nach, ob ihr mitmachen könnt, vernetzt euch untereinander und sprecht mit der Stadt und Personen der Politik und Verwaltung. Es ist so wohltuend, andere motivierte Menschen kennenzulernen und positives Feedback für die eigenen, progressiven Ideen zu bekommen. Außerdem tut es gut, aufmerksam durch die Stadt zu wandeln und sich zu überlegen, wo die Stadt grüner sein kann und was man selbst dafür tun kann. Wir tragen alle eine Verantwortung der Umwelt gegenüber und wünschen uns eine lebenswerte Zukunft und mit lebenswerten Städten. Es gibt viele Instrumente und Möglichkeiten und ein KleinWald kann eine davon sein!

Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg bei der Verwirklichung eurer Projekte!

Das Interview führte Arne Leusing für den Arbeitskreis Kommunikation und Medien

Hier geht’s zur Website des KleinWald e.V.

Über den*die Autor*in

Portrait von Arne Leusing

Arne Leusing

Arne ist Medienreferent im Diözesanbüro des DPSG DV Münster und Mitglied im AK KoM