Meiner Generation wurde oft unterstellt, sie sei unpolitisch. Heute ist jener Vorwurf weitgehend verstummt: Internet und Smartphones, vor denen junge Menschen angeblich den Tag verdaddeln, sind zu Instrumenten geworden, mit denen sie weltweit politischen Protest organisieren: als Fridays for Future zum monatlichen globalen Klimastreik und in vielen Städten sogar mit wöchentlichen Mahnwachen und vielfältigen Aktionen.
Alles begann – ganz „analog“ – mit der damals 17-jährigen schwedischen Schülerin Greta Thunberg, die ab August 2018 regelmäßig der Schule fernblieb, um vor dem schwedischen Reichstagsgebäude in Stockholm zu streiken. Ihr „Skolstrejk för klimatet“ fand schnell internationale mediale Aufmerksamkeit – und Nachahmende: in Deutschland bereits im Dezember 2018 und ab März 2019 auch auf anderen Kontinenten; bei globalen Klimastreiks häufig mit einigen Millionen Teilnehmenden. Überall auf der Welt tragen die „Fridays“ ihren Protest immer wieder auf vielfältige Weise in die Öffentlichkeit, engagieren sich in der Umweltbildung, kooperieren mit verbündeten Gruppen – und schauen ihren politisch Verantwortlichen auf die Finger. Übergeordnetes Ziel: Die Einhaltung der vom Pariser Klima-Abkommen von 2015 angestrebten 1,5-Grad-Marke bei der globalen Erwärmung.
Deutschlands Bekenntnis dazu steht im schroffen Kontrast zur Bilanz seiner bisherigen Anstrengungen: Die Einhaltung der Ziele gelang bislang nur 2019 dank Covid-19 und milder Winter. Bis 2030 dagegen prognostiziert eine vom Umweltbundesamt selbst beauftragte Studie eine Einsparung von nur etwa 51 % der Emissionen. Demzufolge werden jene im Verkehrssektor voraussichtlich ca. 35 %, im Bereich Gebäude ungefähr 25 %, in der Energiewirtschaft mehr als 6 % über der jeweils angestrebten Marke liegen. Kein Wunder, zumal laut Klimaforschenden ein Kohleausstieg 2038 deutlich zu spät kommt und ein CO2-Preis von heute 10 und in fünf Jahren 35 Euro pro Tonne – welcher laut Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change und dem Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung bei Berücksichtigung aller Emissionsfolgekosten aber 180 Euro betragen müsste – deutlich zu niedrig ist. Stattdessen stehen 2019 in Deutschland 61 km Autobahn- und 122 km Bundesstraßen-Neubau (exklusive Ausbau) 6 km Bahnstrecken-Neubau gegenüber. Stattdessen wurden 2020 durchschnittlich täglich ca. 60 ha versiegelt und in der Corona-Krise Fluggesellschaften und Regionalflughäfen subventioniert – Kohleverstromung ohnehin. Und etwa jeder fünfte Neuwagenkäufer entscheidet sich für ein zumindest optisch waldtaugliches Auto, während der deutsche Wald nur noch zu etwa 20 % als intakt gilt… – Kontraste, die schwer auszuhalten sind.
Mit den Untergruppen wie Scientists, (Grand-)Parents, Artists oder Christians for Future haben sich inzwischen Menschen verschiedener Altersgruppen und Milieus dem Protest angeschlossen. Dennoch wird Fridays for Future vor allem als junge Bewegung wahrgenommen – zumal alles mit Schulstreiks begann. Dass junge Menschen auf diesem Weg die (meist) erwachsenen politisch Verantwortlichen an ihre eigenen Ziele erinnern müssen, ist absurd. Doch was ist die Alternative, wenn der Fortbestand des Lebens, wie wir es kennen und lieben, auf dem Spiel steht? Da werden sogar wir handy- und internetsüchtigen Jungen dann doch mal politisch – und freuen uns über alle, die dabei sind. All for future, everyday for future!
Bilder: Marlena Grab und Lukas Mohrche, Fridays for Future Münster