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Ab in den Frühling: Lauf los!

28.04.2016  |  KoM

Der Hike – nur ein anderes Wort für „trampen“ oder steckt doch mehr dahinter?!

Die meisten von uns waren in ihrer Pfadfinderkarriere ganz sicher schon mal auf einem „Hike“. Zumeist geht es dann im Rahmen des Sommerlagers für ein oder zwei Übernachtungen zu Fuß mit den Gruppenkindern in die nähere Umgebung des Lagerplatzes. Einige, insbesondere Rovergruppen, haben den Hike jedoch auch für Deutschland- oder Europaweite Touren als passende Reiseform für sich entdeckt.

Aber wozu machen wir solche Hikes? Ist das nur ein anderes Wort für „trampen“? Oder ist das schlichtweg nur einer von mehreren Programmpunkten im Sommerlager? Ist es das Ziel, die Kinder und Jugendlichen von Punkt „A“ zu Punkt „B“ zu „treiben“? Oder steckt mehr dahinter?!

Ganz sicher steckt viel mehr hinter diesem Begriff! Ein Hike ist viel mehr, als es das englische Wort „hike“ (=wandern) sagt. Ein Hike ist auch mehr, als auf billige Art und Weise durch die Lande zu touren. Ursprünglich stellte der Hike in den Anfängen der Jugendbewegungen vor gut 100 Jahren ein hartes Training dar, bei dem die Gruppen oft mehrere Tage in der Wildnis auf sich selbst gestellt verschiedene Aufgaben zu lösen hatten.

Heute geht es bei einem Hike vielmehr um eine Art „Geschicklichkeits- und Aufgabenlauf“. Kinder und Jugendliche sollen auf dem Weg zu einem festgelegten Ziel verschiedene Aufgaben lösen. Nicht selten ist es allein die Aufgabe, ohne Geld das festgelegte Ziel zu erreichen. Hin und wieder gibt es bei den Hikes auch kleinere Wettkämpfe zwischen den Hikegruppen, die im Wettbewerb zueinander manchmal auf Zeit, oder auch um den Erwerb von „Punkten“ das Ziel erreichen und Aufgaben lösen. Der „Iron Scout“, der jährlich ausgetragen wird, ist ein Beispiel dafür.

Aber egal, ob die Aufgaben nun schwer oder leicht sind, der Weg lang und steinig oder eher kurz ist: Im Grunde genommen geht es bei einem Hike darum, den Teamgeist in der Gruppe im besten Sinne zu stärken. Durch die gemeinsame Fortbewegung, verbunden mit der Lösung bestimmter Aufgaben, wird eine Reihe von Eigenschaften trainiert, die für die Erziehung zu einem selbstständig denkenden und handelnden Menschen nützlich sind:

• das selbstständige Durchdenken einer Situation
• das selbstständige Entscheiden für die eine oder andere Handlungsweise
• das selbstständige Handeln
• die Zivilcourage
• Kontaktaufnahme zu fremden Menschen
• Arbeit im Team

Und genau dieses sind ja auch einige der Eckpfeiler, wegen derer wir in der Pfadfinderei tätig sind und allwöchentlich Gruppenstunden vorbereiten. Quasi „gratis“ dazu bekommen wir auf unseren Hikes unzählige schöne, spannende, lustige und auch nachdenkliche Erlebnisse. Das Strahlen in den Augen der Kinder, wenn sie auf einem Hike in der Scheune eines Bauern übernachten dürfen, oder – wie ich es selbst einst erlebt habe – in einem Freiburger Schrebergarten, in dem Gemüse und Obst in Hülle und Fülle zum Verzehr bereit stand. Die Spannung, wenn die Jugendlichen trotz Karte, Kompass, GPS und Handy vielleicht doch mal vom „Idealweg“ abkommen und dann bei den nächsten „Einheimischen“ nach dem richtigen Weg fragen. Die Diskussionen, die bei der Essenzubereitung auf dem offenen Lagerfeuer entstehen, gute Gespräche und Austausch mit den Pfadfindern, die man nicht selten unterwegs antrifft, und, und, und... Ich denke, die meisten von uns könnten stundenlang von den vielen Erlebnissen und Begegnungen auf den Touren berichten. Hin und wieder wird es auch ein wenig „kribbelig“. Ich selbst wurde auf einem Hike, mit einem Mitrover auf Deutschlandtour unterwegs, in der Augsburger Innenstadt von älteren Mitmenschen „als Hitlerjunge“ betitelt. „Gibt’s die Hitlerjugend doch noch?“, fragte er uns offenbar hocherfreut. Wir haben es ihm erklärt und es war ein spannendes Gespräch zwischen den älteren Herren und uns beiden Rovern: Seine Erlebnisse aus einer anderen, sehr schwierigen Zeit; seine verklärten Erinnerungen und unsere Versuche, ihm unsere heutige Sicht der Dinge zu erklären. Diese Unterhaltung in Augsburgs Innenstadt war sicherlich eines der prägendsten Erlebnisse auf meinen zahlreichen Hikes.

Manchmal gehen die Gruppen auch auf einen Hike, um unterwegs einen Stufenwechsel zu feiern. Ob nun einzelne die Gruppe verlassen, um in die nächste Stufe zu wechseln oder ob die ganze Gruppe aufsteigt – so oder so kann der Wechsel auf einem Hike in ganz besonderer Art und Weise begangen werden. Das Begrüßen „der Neuen“ oder das Verabschieden „der Alten“ – abends am Lagerfeuer, vielleicht am Ufer der Lippe auf einem Kanu-Hike – ist dann sicherlich was anderes, als es „nebenher“ im gewohnten Gruppenraum zu feiern. Einige legen bei einem Hike auch ihr Versprechen ab. Unterwegs findet sich in Gesprächen beim Wandern oder auch am Lagerfeuer die passende Gelegenheit, um dieses Versprechen angemessen vorzubereiten, und dann – wenn Stimmung und Örtlichkeit genau passen – im Beisein der ganzen Gruppe, seiner eigenen Gruppe, das Versprechen abzulegen, ist bestimmt auch ein Erlebnis, welches lange in Erinnerung bleiben kann. Meine Rovergruppe hat sich „damals“ einen Hike in den bayerischen Alpen für ihr Versprechen ausgesucht. Inmitten der Natur in den Bergen, einsam, und vor einer tiefen Schlucht stehend, die einige hundert Meter in die Tiefe stürzte, haben die Rover sich ihr Versprechen geben, welches an der Stelle vom Echo wiederholt wurde und gleichsam die Stimmung nochmals verstärkte...

Ihr merkt, ich komme beim Schreiben dieser Zeilen auch ins Schwärmen und würde sie am liebsten sofort wieder anziehen: Meine Kluft und die Wanderschuhe, um dann mit Rucksack und einigen Weggefährten die Abenteuerluft zu schnuppern! Immer unter dem Motto: „Der Weg ist das Ziel...“

Dirk Wiening

Dieser Artikel ist in der Verbandszeug-Ausgabe "Scoutdoor" erschienen.

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